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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 12,2.1899

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Heft 17 (1. Juniheft 1899)
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S., S.: Justis "Velazquez" als Kompendium praktischer Aesthetik, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7958#0163

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viel gemein. Die Kontraposte Tintorettos, die Gruppierungen Bassanos, die
vornehmen Posen Paolos bestritten die Kosten der Komposition. Die Ankunft
der Abgüsse, rvelche Velazquez >6so aus Rom mitbrachte, verriet sich sofort in
klassischen Masken; weibliche Modelle waren ja so schwer zu haben. Die
grotzen Maschinen der Visionen und Glorien, die Kargheit des Lohnes, die
angeborne Bequemlichkeit drängte zur Maniera; zu feineren Naturbeobachtungen
hatten sie keine Zeit. . . Die meisten wandten sich Tizian zu, dessen spätere
Manier auf sie solchen Eindruck machte, daß man diese Madrider Schule als
die letzten Epigonen des Tizianschen Zeitalters ansehen könnte. . . Selbst im
Bildnis scheint ihnen die vornehme aber nüchterne Wahrhaftigkeit des Velazquez
weniger zugesagt zu haben, als die Eleganz und malerische Grazie des van
Dyck. — Nur mit seiner berückenden Freiheit und Leichtigkeit der Handschrift
hattc er es allen angethan, und diese Eigenschaft gefiel ihm auch an Andern

<11, 263 ff.).

Daß Velazquez eine Sammlung von Abformungen antikcr Werke
beantragt und zum Zwecke ihrer Herstellung nach Rom gegangen ist, ein Vor-
lüufer also seines 120 Jahre später gekommenen Nachsolgers Raffael Mengs,
das wird viele seiner Verehrer und Anfechter befremden. Die am Ende dieses
Jahrhunderts allerwärts auftauchenden Gipsmuseen stehen im Zusammenhang
mit dem Sinken des malerischen Sinnes, mit dem zweifelhaften Geschmack
der Gerard de Lairesse und van der Werff. Rumohr fand, „datz nach dem
Aufkommen der Antikensäle zu Antwerpen (<68o) und Amsterdam (^?oo) in
den dortigen Schulen von jener Feinheit des Gesichtssinns, welche ihre frühere
Arbeiten so ungemein auSzeichnete, in Kurzem jegliche Spur verschwindet."
Jn Spanien war diese Gefahr kein Geheimnis; Jusepe Martinez bemerkt in
seinen viscursos prLctic-lbles, „die Zeichnung werde durch solche Studien hart,
trocken und höchst unerfreulich fürs Auge." Jndeß dürften dicse der jetzigen
Zeit so fatal gewordenen asterklassischen und antimalerischen Manicren des
folgenden Jahrhunderts doch weniger eins Wirkung der eifriger studierten
Antike sein, als des schon eingetretenen Marasmus, der von solchen Trans-
fusioncn Verjüngung der Säfte erhoffte. Die natürliche Widerstandskraft der
gebornen Maler srüherer Jahrhunderte brauchte solche Ablenkungen nicht zu
fürchten (II, <36).

Jdealismus.

Bevor wir zu dem Hauptgegenstand des Buches, üem Realismus, über-
gehen, scien in diesem Zusammenhang die köstlichen Worte angeführt, mit denen
der Verfasser den Jdcalismus (der nach Lagarde, Deutsche Schriften II, -479,
sehr wohl von der Jdcalität zu unterscheiden) abfertigt. Was ist Geist in der
Malerei? fragt er (II, 273). Geist fehlt in den bildcnden Künsten denen meist
ganz und gar, welche den Geist in Worten und Jdeen haben. Jdeen in jenem
Sinn, wo Allegorien und Karikaturcn, oder Programmalereien vorzugsweise
Jdeen hätten. „Traut denen nicht", sagt Diderot, „die den Sack voll Geist haben
und ihn bei jedem Anlatz ausstreuen. Sie haben den Dümon nicht." Rembrandt,
Correggio, Tizian, Murillo sind geistreiche Maler gewesen, nicht weil sie geistreiche
Einfälle gehabt habcn und Literatcn Stoff zu Deklamationen und Abhandlungen
gaben, sondern weil sie Geist in Blick und Fingern hatten. Geist ist prägnanter und
überraschcnder Ausdruck, von dem auch der Meister gesteht, das ihm das nicht
eingesallen wäre, Geist habcn die, welche sehen, was wir andcrn nicht sehen,
die, bei dcnen man nicht vorhersagen kann, wie sis einen Stoff behandeln wer-
den, die also, wie Kant sagt, Dinge machen, die nicht auf Regeln zurückzuführcn

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