spiele zu smgen und zu flüstern scheint,
der Oberkörper, der in selbstverständ-
licher Nucktheit daraus aufwärts blüht,
das Haupt, das in Hoheit siegreich
darübcr hinausschaut. Ganz Freude
am nacktcn Menschenlcibe und weiter
nichts ist die „Badende": ein weib-
licher Akt, dessen ungewöhnliche Stel-
lung erlaubte, das Spiel der Formen
als der Kräste im Menschenleib in
sprudelnder Mannigfaltigkeit zu schil-
dern. Eine große plastische Skizze end-
lich, „Drama", erweist vielleicht einen
ähnlichen Vorgang, wie den bei
Dürers „Ritter, Tod und Teufel":
möglich, daß wie dort aus der Kostüm-
studie so hier aus der Wiedergabe
zweicr Akte ein ticfes seelisches Motiv
dcm Künstler während des Gestaltens
auswuchs, die Vorstellung etwa von
einem Manne, der ein Weib rächen
will. Der echt deutsche Drang zu der-
lei steckt ja auch in Klinger. Was ihn
zunächst reizte, war aber doch wohl
wieder nur die Freude am Nackten,
wenngleich in anderer Weise: durch
die Kontrastierung eines angestrengt
arbeitenden Manneskörpers mit cinenr
ausgcstrcckt liegenden Frauenleib. Um-
schließt diese Kontrasticrung nicht so viel
Bedeutsames, daß wir weitere Motive
zum Genusse des Werks gar nicht
brauchen, wenn unsre Augen gelernt
haben, ihnen nachzugehn?
Schönheit des größten Stils hat
die deutsche Plastik nicht herrlicher cr-
reicht, als bei Klinger. A.
* Eine Münchencr Zeitung be-
richtete kürzlich: „Der Bildhaucr Eduard
Beyrer hat dem Verband der Prinz-
Regent-Luitpold-Kanoniere das von
ihm angefcrtigte Original-Portrait-
relief Sr. k. Hoheit des Prinz-Regenten
zum Geschenk gemacht." Am nächsten
Tag schrieb dasselbe Blatt: „Se. k.
Hoheit der Prinz-Regent hat die Ge-
fängnisstrafe, zu der seiner Zeit dcr
Bildhauer Eduard Beyrer wegen dcr
bekannten Affaire im Cafe Heck ver-
urteilt wurde, im Gnadenwege in
Festungshaft umgewandelt."
Nnsre Kettngen.
Ueber unsere heutige Musikbeilage, das bisher noch nicht veröffentlichtc
Lied „Dämmerung" des Münchners Neff, schreibt uns Rndolf Louis: „Es
kann als Beispiel dienen, daß das »modcrne Lied« durchaus nicht auf jene
Geschlossenheit des formalen Aufbaus zu verzichten braucht, welche die älterc
Aesthetik sehr mit Unrecht zu einer unumstößlichen und ausnahmslosen Regel
erhoben hatte, — vorausgesetzt allerdings, daß die zugrunde liegende Dichtung
cs zuläßt. Das von Anfang bis zu Ende innerhalb derselben Stimmung ver-
blcibende Gedicht erlaubt es hier nun thatsächlich, allen sogenannten „Form-
losigkeiten" bedachtsam aus dem Wcge zu gehen. Jn dieser klaren, durchsich-
tigen Anlage und Ausführung des Ganzen glaube ich das Hauptverdienst der
Neffschcn Komposition zu crkcnnen. Das zeigt sich vor allem auch in der Art
seiner Modulation. Nach den im wesentlichen durchaus in der Haupttonart
(Oe8-Vur) gchaltenen beidcn ersten Verszeilen wird über (Takt 2() und i;
(Takt 22) mit dem Anfang der zweiten Strophe (Sehr langsam) lls-Lkoll cr-
reicht, das aber seine rein durchgehende harmonische Bedeutung dadurch offen-
bart, daß es sofort wieder (Takt zg) nach ves zurückführt. Der nun folgende
Teil, der »Seitensatz« der alten Liedform, bringt die crste dauernde Abwendung
2. Iuniheft
ros
der Oberkörper, der in selbstverständ-
licher Nucktheit daraus aufwärts blüht,
das Haupt, das in Hoheit siegreich
darübcr hinausschaut. Ganz Freude
am nacktcn Menschenlcibe und weiter
nichts ist die „Badende": ein weib-
licher Akt, dessen ungewöhnliche Stel-
lung erlaubte, das Spiel der Formen
als der Kräste im Menschenleib in
sprudelnder Mannigfaltigkeit zu schil-
dern. Eine große plastische Skizze end-
lich, „Drama", erweist vielleicht einen
ähnlichen Vorgang, wie den bei
Dürers „Ritter, Tod und Teufel":
möglich, daß wie dort aus der Kostüm-
studie so hier aus der Wiedergabe
zweicr Akte ein ticfes seelisches Motiv
dcm Künstler während des Gestaltens
auswuchs, die Vorstellung etwa von
einem Manne, der ein Weib rächen
will. Der echt deutsche Drang zu der-
lei steckt ja auch in Klinger. Was ihn
zunächst reizte, war aber doch wohl
wieder nur die Freude am Nackten,
wenngleich in anderer Weise: durch
die Kontrastierung eines angestrengt
arbeitenden Manneskörpers mit cinenr
ausgcstrcckt liegenden Frauenleib. Um-
schließt diese Kontrasticrung nicht so viel
Bedeutsames, daß wir weitere Motive
zum Genusse des Werks gar nicht
brauchen, wenn unsre Augen gelernt
haben, ihnen nachzugehn?
Schönheit des größten Stils hat
die deutsche Plastik nicht herrlicher cr-
reicht, als bei Klinger. A.
* Eine Münchencr Zeitung be-
richtete kürzlich: „Der Bildhaucr Eduard
Beyrer hat dem Verband der Prinz-
Regent-Luitpold-Kanoniere das von
ihm angefcrtigte Original-Portrait-
relief Sr. k. Hoheit des Prinz-Regenten
zum Geschenk gemacht." Am nächsten
Tag schrieb dasselbe Blatt: „Se. k.
Hoheit der Prinz-Regent hat die Ge-
fängnisstrafe, zu der seiner Zeit dcr
Bildhauer Eduard Beyrer wegen dcr
bekannten Affaire im Cafe Heck ver-
urteilt wurde, im Gnadenwege in
Festungshaft umgewandelt."
Nnsre Kettngen.
Ueber unsere heutige Musikbeilage, das bisher noch nicht veröffentlichtc
Lied „Dämmerung" des Münchners Neff, schreibt uns Rndolf Louis: „Es
kann als Beispiel dienen, daß das »modcrne Lied« durchaus nicht auf jene
Geschlossenheit des formalen Aufbaus zu verzichten braucht, welche die älterc
Aesthetik sehr mit Unrecht zu einer unumstößlichen und ausnahmslosen Regel
erhoben hatte, — vorausgesetzt allerdings, daß die zugrunde liegende Dichtung
cs zuläßt. Das von Anfang bis zu Ende innerhalb derselben Stimmung ver-
blcibende Gedicht erlaubt es hier nun thatsächlich, allen sogenannten „Form-
losigkeiten" bedachtsam aus dem Wcge zu gehen. Jn dieser klaren, durchsich-
tigen Anlage und Ausführung des Ganzen glaube ich das Hauptverdienst der
Neffschcn Komposition zu crkcnnen. Das zeigt sich vor allem auch in der Art
seiner Modulation. Nach den im wesentlichen durchaus in der Haupttonart
(Oe8-Vur) gchaltenen beidcn ersten Verszeilen wird über (Takt 2() und i;
(Takt 22) mit dem Anfang der zweiten Strophe (Sehr langsam) lls-Lkoll cr-
reicht, das aber seine rein durchgehende harmonische Bedeutung dadurch offen-
bart, daß es sofort wieder (Takt zg) nach ves zurückführt. Der nun folgende
Teil, der »Seitensatz« der alten Liedform, bringt die crste dauernde Abwendung
2. Iuniheft
ros