Wir haben früher einmal im Kunstwart ausgeführt, daß manche
Menschen es mit der Kunst halten wie mit der guten Stube, die schmuck
und sauber geputzt und fein abgeschlossen bleibt, in die man nur bei
besonderen Anlässen hineindarf und deretwegen man Gemütlichkeit und
Schönheit in den eigentlichen Wohnzimmern opfert. So kommen mir
auch diejenigen vor, welche von einem vermeintlich aristokratischen Stand-
punkt alle Bestrebungen auf Vervolkstümlichung der Kunst als unfrucht-
bar, ja sür den Gegenstand unseres Bemühens herabwürdigend bezeichnen.
Nicht daß ich sie mit gleicher Entschiedenheit bekämpfen möchte: das
hieße einer Gcmeinde edeldenkender, aufrichtiger Freude der Kunst cine
Gcnosscnschaft kündigen, die uns das Heer jener Flachküpfe, wclche das
ausgefangene Schlagwort vom Popularisieren ohne Nachdenken durch alle
Gassen schreien, nimmcr ersetzen könnte. Aber gerade, weil die erstere
Auffassung einem hochachtbaren, idcalen Sinne entspringt, ist es zum
Wohle der praktischen Kunstpflege notwendig, sich mit ihr kritisch aus-
einanderzusetzen, das heißt: die Grenzen ihrer Berechtigung sorgfültig
aufzusuchen und deutlich abzustecken.
„Man kann dcr Kunst nicht helsen", schrieb mir neulich jemand,
den ich schätze, „indein man sie dem Volk als Genußmittel neben Speis'
und Trank prüsentiert, sondern indem man dem Volke Andacht empfinden
lehrt vor ihr, als einem hoch über dem Alltagleben stehenden Göttlichen.
Uns sei die Kunst nicht eine Erfrischung, mit der des Gaumens zu-
sammenhängend, sondern ein Weihetrank, wie das Blut des Herrn, das
wir bci der Kommunion genießen. Spenden wir sie als den Gral, das
Volk aber ist seines Glühens erst wert und würdig zu machen. Aller Segen
kommt von oben. Soll die Musik segenbringende Wirkung ausüben, so
muß sie über der gewöhnlichen Atmosphäre des zu Segnendcn stehen.
Dem Volke von dcr Kunst Begriffe als von etwas besonders Weihevollem
und Verklärtem beizubringen, ist unsere wahrhaftige Aufgabe." Das klingt
allerdings sehr wacker und überzeugend, — nur nicht für den, der gelernt hat,
Kunstwart 2. Iuliheft
— 2»I —
Menschen es mit der Kunst halten wie mit der guten Stube, die schmuck
und sauber geputzt und fein abgeschlossen bleibt, in die man nur bei
besonderen Anlässen hineindarf und deretwegen man Gemütlichkeit und
Schönheit in den eigentlichen Wohnzimmern opfert. So kommen mir
auch diejenigen vor, welche von einem vermeintlich aristokratischen Stand-
punkt alle Bestrebungen auf Vervolkstümlichung der Kunst als unfrucht-
bar, ja sür den Gegenstand unseres Bemühens herabwürdigend bezeichnen.
Nicht daß ich sie mit gleicher Entschiedenheit bekämpfen möchte: das
hieße einer Gcmeinde edeldenkender, aufrichtiger Freude der Kunst cine
Gcnosscnschaft kündigen, die uns das Heer jener Flachküpfe, wclche das
ausgefangene Schlagwort vom Popularisieren ohne Nachdenken durch alle
Gassen schreien, nimmcr ersetzen könnte. Aber gerade, weil die erstere
Auffassung einem hochachtbaren, idcalen Sinne entspringt, ist es zum
Wohle der praktischen Kunstpflege notwendig, sich mit ihr kritisch aus-
einanderzusetzen, das heißt: die Grenzen ihrer Berechtigung sorgfültig
aufzusuchen und deutlich abzustecken.
„Man kann dcr Kunst nicht helsen", schrieb mir neulich jemand,
den ich schätze, „indein man sie dem Volk als Genußmittel neben Speis'
und Trank prüsentiert, sondern indem man dem Volke Andacht empfinden
lehrt vor ihr, als einem hoch über dem Alltagleben stehenden Göttlichen.
Uns sei die Kunst nicht eine Erfrischung, mit der des Gaumens zu-
sammenhängend, sondern ein Weihetrank, wie das Blut des Herrn, das
wir bci der Kommunion genießen. Spenden wir sie als den Gral, das
Volk aber ist seines Glühens erst wert und würdig zu machen. Aller Segen
kommt von oben. Soll die Musik segenbringende Wirkung ausüben, so
muß sie über der gewöhnlichen Atmosphäre des zu Segnendcn stehen.
Dem Volke von dcr Kunst Begriffe als von etwas besonders Weihevollem
und Verklärtem beizubringen, ist unsere wahrhaftige Aufgabe." Das klingt
allerdings sehr wacker und überzeugend, — nur nicht für den, der gelernt hat,
Kunstwart 2. Iuliheft
— 2»I —