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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 12,2.1899

DOI Heft:
Heft 21 (1. Augustheft 1899)
DOI Artikel:
Lublinski, Samuel: Moderne Weltanschauung und geschichtliche Dichtung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7958#0287

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12. Mvrg. Lrsres Augusrberr 1S0S. Dett 21.

/IDoderue Meltcmsebuuuug uud gescbiclitliclie Dicbrung.

Die literarische Revolution der achtziger Jahrc hat ja allerdings
nicht alle Hoffnungen erfüllt, die von ihren Wortführern in sie gesetzt
wurden. Wer ein feines Gehör hat, hört aus den heutigen Auslassungen
damaliger Koryphäen ganz deutlich einen Mißton der Enttäuschung heraus-
Aber einen Trost ivenigstens ivollen die Enttäuschten sich auch heute noch
nicht rauben lassen: den Nachwuchs an Talenten, den die literarische
Revolution bewirkt haben soll. Ach, Talente gab es auch vorher schon
in Deutschland, und wenn es weiter nichts galt, so hätte rnan sich mit
den Lindau, Ebers, Julius Wolff ganz gut begnügen können, ja sogar
mit Oskar Blumenthal. Ueberhaupt wird es einer großen Kulturnation
an Talenten niemals sehlen. Gerhart Hauptmann hätte sich auch ohne
Rcvolution sicher durchgesetzt, wenn auch vielleicht in anderer Form, mit
ein wenig anders gearteten Zügen in seiner Physiognomie. Denn aller-
dings, so viel bewirkte die Revolution immerhin, daß ein Talent in den
achtziger Jahren andcre Vorbedingungen des literarischen Schaffens vor-
fand, als in dcn siebziger Jahren — ein ganz anderes geistiges Klima.
Und da lag in der That des Pudels Kern, der eigentliche Zweck und
Jnhalt der ganzen Bewegung: man wollte ein anderes geistiges Klima
schaffen, dem Dichter oder Schriststeller andere Probleme und geistigc
Ziele aufzwingen, als die der unmittelbar vorhergehenden literarischen
Generation. Es war kein Kampf um die künstlerische Technik, dcr
hier entbrannte, sondern ein heißer, erbitterter und unversöhnlicher Kampf
um die Weltanschauung. Alles andere folgte von selbst. Die neue Art,
die Welt zu sehen, ersorderte natürlich auch eine neue Art der Darstellung,
und es ist psychologisch begreiflich, daß diese Aeußerlichkeiten in der Hitze
des Kampfes von beidcn Parteien ost mit der Hauptsache verwechselt
wurden. Aber es ist wirklich nur eine Frage von nebensächlicher Be-
deutung, ob ein Drama in Versen geschrieben wird oder in Prosa, und
ob in einer Erzählung der Dialog auch das Näuspern und Spucken und
die Ahs und Ohs photographisch gctreu wiedergeben soll, oder ob hier
Runsiwart y Augustheft skgg
 
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