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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 22,4.1909

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Heft 20 (2. Juliheft 1909)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8817#0135
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feierlichen Augenblick — ein komi-
scher.

Das wollte man doch vermeiden.

Ich hatte einmal die Aufgabe,
ein Denkmal, das Gustav Freytag-
Denkmal für Wiesbaden, zn ent-
hüllen. Schon vor den stehenblei-
benden vier Masten fürchtete ich
mich, die immer den Eindruck des
Denkmals stören mußten. Ich ließ
an der Rückseite der Gestalt zwei
Masten in der üblichen Weise auf-
stellen und zwischen ihnen graue
Leinwand spannen. An den Köp-
fen dieser beiden Masten wurden
hölzerne Ausleger angebracht, die
um die Masten drehbar waren, und
von diesen Auslegern frei herab-
wallend, wurden ferner Leinwand-
bahnen, aber in Art der ziehbaren
Fenstervorhänge, angebracht. Die
beiden Ausleger konnten mit Hilfe
von dünnen Seilen geführt werden
und wurden nach vorn zu, vor die
Figur, so zusammengeführt, daß sie
die Gestalt mit ihren herabwallen-
den Leinwandbahnen verdeckten. Da-
mit der Wind die Bahnen nicht
bewegte und öffnete, wurden sie
vorn und unten mit Gewichten be-
schwert. Somit befand sich die Figur
des Dichters, die im übrigen frei
und unverhüllt dastand, in einem
dreiseitigen Leinwandkasten unsicht-
bar eingeschlossen.

Als nun das Zeichen für die Ent-
hüllung gegeben wurde, zogen Ar-
beiter einfach an den Leitseilen der
genannten Ausleger, diese drehten
sich nach rückwärts, die Leinwand-
bahnen folgten, der Kasten öffnete
sich, und im Augenblick — wirklich
im Augenblick — wurde die Gestalt
sichtbar, — ganz als ob auf einer
Bühne sich die Gardine geöffnet
hätte. Darnach wurden schließlich
noch die Leinwandbahnen vermit-
tels der Zugschnüre an die Masten
etwas herangezogen, so daß sie sich
in der Weise wie Tür- oder Fenster-

vorhänge in Falten lcgten. So er-
gab sich für die aufragende hellweiße
Marmorbildsäule in der graugetön-
ten Leinwand ein sehr ansprechend
wirkender Hintergrund, von dem sie
sich in schönster Weise abhob.

Die Zuschauer hatten den Sinn
der eigenartigen dreiseitigen Am-
bauung des Denkmals vor der Ent-
hüllung des Denkmals freilich nicht
recht erfaßt; als sich aber die Ent-
hüllung in einer so überraschend
glatten Weise vollzog, waren sie von
dieser neuen Art nnd Weise aufs
höchste befriedigt.

Ich kann nach dieser Erfahrung
meine Methode empfehlen. Durch
Patent oder Musterschutz ist sie nicht
geschützt. Franz Woas

Nochmals erziehlicheKna-
benhandarbeit

egen die Bemerknngen des Pro-
XZ)fessors Paul Rieß in Heft s8
des Kunstwarts schreibt uns der
Deutsche Verein für Knabenhand-
arbeit, indem er sich unter Be-
rufung auf programmatische Sätze
mit Paul Rieß' prinzipiellen For-
derungen einverstanden erklärt, die
Kritik der Dcssauer Ausstellung
aber einseitig und unzutreffend
findet. Äber dcn Wert einzelner
Schaustellungen die Kritisierten und
die Kritiker sich unterhalten zn
lassen, das ginge in einer Zeit-
schrift wie der unsern schon aus

2. Iuliheft Mst

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