Allgemeineres
Lr starrt empor und grübclt,
Wie es nur möglich war,
Daß er von Lust und Leide
Sebebt so manches Iahr.
Rundschau
Ästhetische Aphorismen
hmbolisches Wesen der
Kunst. Ein einmaliges Be--
sonderes drückt das sich ewig Wie-
derholende, Mlgemeine, nach irgend-
einer seiner wesentlichen Seiten
verstärkt und deutlicher gemacht,
aus. Es wird ein Epigramm
auf dies Allgemeine. Ein beson-
deres zufälliges Geschehen erscheint
dem eindringenden Blick geradezu
als ein Spiel des Gesetzes, in
dem das Spiel zerfällt und das
Gesetz, hüllenlos, vor dem Auge
stehenbleibt. Dieser shmbolische
Vorgang ist um so reizvoller, je
seltsamer das Besondere ist, wel-
ches als eine Auswirkung, als ein
Spiegel der Idee erscheint. Alle
stofflichen Gestaltungen der Kunst
sind durchscheinend und geben den
Blick auf den Hintergrund des
Letztmenschlichen frei.
Isl
Unsichtbare Forderungen.
Man hat einen Wertmesser von
untrüglicher Sicherheit für den
schöpferischen Organismus eines
Künstlers, der Art nach, wenn
man die Zahl der unsichtbaren
Forderungen kennt, die er fühlt
und stellt, die ihn unbeachtet um-
geben und die er doch alle erfüllen
muß, ehe er die Hand von einem
Werk nehmen kann. Ich sage
mit Bcdacht: die Zahl. Iede
höhere Forderung umschließt kon-
zentrisch die vorangegangenen und
nimmt sie in sich auf. Sie meh-
ren sich, wie Iahresringe am
Baum, mit jedem Zeitmaß des
Reifens. Die letzte, vielleicht un-
erfüllbare Forderung, zu welcher
sie das gestaltende Gefühl treiben,
ist: der in sich zurückkehrende, allein
auf sich ruheude Organismus, reine
Beziehung des Werkes auf sich
selbst.
V
Formen, die im Künstler
ruhen. Wir sehen sich wan--
delnden Wolkengebilden zu, sehen
in die schattenhaft ziehenden Nebel,
von Teilen ihrer Nmrisse angeregt,
Gestaltungen hinein: Menschen,
Tiere, Schlösser, Wagen, Schiffe.
Formen aus unendlicher Anschau-
uug ruhen in uns, der menschliche
Körper in allen Bewegungen, Ver-
kürznngen und Aberschneidungen,
Gesichter mit jedem Ausdruck. Es
unterscheidet das künstlerische vom
wissenschaftlichen Abbild, daß sich
beim künstlerischen Bilde das ein-
malige Modell in den Formen
der unendlichen Anschauung ge-
spiegelt, sich in ihre Licht-Atmo-
sphäre getaucht, sich in ihnen zu
einer, viele Erlebnisse sammeln-
den, Gestalt gewandelt hat.
Wenn Dürer z. V. ein ihm un-
gewohntes Tier zeichnet, so ist das
Blatt technisch deutlich unterschieden
von solchen, auf denen er ihm
geläufige Tiere bildet; es ist aus
dem Einzelnen, dem Kleingefüge
des Eindrucks zusammengesetzt, das
sich nicht bis zur ruhigen Einheit
der Kontur aneinanderschließt.
Isl
Reinheit. Der Künstler, der
alle bewußte Arbeit darauf richtet,
M Kunstwart XXII, 2s
Lr starrt empor und grübclt,
Wie es nur möglich war,
Daß er von Lust und Leide
Sebebt so manches Iahr.
Rundschau
Ästhetische Aphorismen
hmbolisches Wesen der
Kunst. Ein einmaliges Be--
sonderes drückt das sich ewig Wie-
derholende, Mlgemeine, nach irgend-
einer seiner wesentlichen Seiten
verstärkt und deutlicher gemacht,
aus. Es wird ein Epigramm
auf dies Allgemeine. Ein beson-
deres zufälliges Geschehen erscheint
dem eindringenden Blick geradezu
als ein Spiel des Gesetzes, in
dem das Spiel zerfällt und das
Gesetz, hüllenlos, vor dem Auge
stehenbleibt. Dieser shmbolische
Vorgang ist um so reizvoller, je
seltsamer das Besondere ist, wel-
ches als eine Auswirkung, als ein
Spiegel der Idee erscheint. Alle
stofflichen Gestaltungen der Kunst
sind durchscheinend und geben den
Blick auf den Hintergrund des
Letztmenschlichen frei.
Isl
Unsichtbare Forderungen.
Man hat einen Wertmesser von
untrüglicher Sicherheit für den
schöpferischen Organismus eines
Künstlers, der Art nach, wenn
man die Zahl der unsichtbaren
Forderungen kennt, die er fühlt
und stellt, die ihn unbeachtet um-
geben und die er doch alle erfüllen
muß, ehe er die Hand von einem
Werk nehmen kann. Ich sage
mit Bcdacht: die Zahl. Iede
höhere Forderung umschließt kon-
zentrisch die vorangegangenen und
nimmt sie in sich auf. Sie meh-
ren sich, wie Iahresringe am
Baum, mit jedem Zeitmaß des
Reifens. Die letzte, vielleicht un-
erfüllbare Forderung, zu welcher
sie das gestaltende Gefühl treiben,
ist: der in sich zurückkehrende, allein
auf sich ruheude Organismus, reine
Beziehung des Werkes auf sich
selbst.
V
Formen, die im Künstler
ruhen. Wir sehen sich wan--
delnden Wolkengebilden zu, sehen
in die schattenhaft ziehenden Nebel,
von Teilen ihrer Nmrisse angeregt,
Gestaltungen hinein: Menschen,
Tiere, Schlösser, Wagen, Schiffe.
Formen aus unendlicher Anschau-
uug ruhen in uns, der menschliche
Körper in allen Bewegungen, Ver-
kürznngen und Aberschneidungen,
Gesichter mit jedem Ausdruck. Es
unterscheidet das künstlerische vom
wissenschaftlichen Abbild, daß sich
beim künstlerischen Bilde das ein-
malige Modell in den Formen
der unendlichen Anschauung ge-
spiegelt, sich in ihre Licht-Atmo-
sphäre getaucht, sich in ihnen zu
einer, viele Erlebnisse sammeln-
den, Gestalt gewandelt hat.
Wenn Dürer z. V. ein ihm un-
gewohntes Tier zeichnet, so ist das
Blatt technisch deutlich unterschieden
von solchen, auf denen er ihm
geläufige Tiere bildet; es ist aus
dem Einzelnen, dem Kleingefüge
des Eindrucks zusammengesetzt, das
sich nicht bis zur ruhigen Einheit
der Kontur aneinanderschließt.
Isl
Reinheit. Der Künstler, der
alle bewußte Arbeit darauf richtet,
M Kunstwart XXII, 2s