Iahrg. 22 Erstes Augusthest !S0S Hest2!
Kunstausstellungsschmerzen
egen die Kunstausstellungen sammeln sich bei uns alle Iahre
» ^L^die Anklagen. Hier, meine Herren Leser und Damsn Leserinnen,
erhalten Sie zunächst zwei davon in dieser Hochsaison der
Kunstausstellungen zur gefälligen Nachprüfung vorgelegt.
Ausstellungslüge
Die sommerlichen Riesenausstellungen bemalter Leinwände (auf die
Plastik achtet kein Mensch) neigen sich bald dem Ende ihrer Wirksamkeit
zu. In Berlin und München heigen ihre Behausungen Glaspaläste.
Doch können solche Ausstellungen auch anders behaust und betitelt sein,
sie können von Kunstvereinen oder Händlern zusammengehängt werden,
mittlern oder geringen Umfang haben, und können doch desselben Geistes
sein, daher dieselben Wahrnehmungen erlauben, die hier wieder einmal
vermerkt werden sollen.
Die Sonderart einer derartigen Schau besteht darin, daß sie sich
mit dem Namen Kunst schmückt und demgemäß Anspruch auf die öffent--
liche Teilnahme, auf Förderung durch den Staat, den Fürsten, die Reichen,
die Gebildeten und die Bildungsbeflissenen erhebt, während sie in Wirk--
lichkeit großcnteils den wirtschaftlichen Interessen eines überflüssigen
oder gar gemeingefährlichen Gewerbes dient. Die halb, dreiviertels oder
ganz schlechten „Kunst"-Ausstellungen sind im wesentlichen Verkaufs-
märkte für die Ware minderbegabter „Künstler", das heißt Feinmechaniker,
die zur künstlerischen Zeugung im höheren Sinn nicmals berufen wurden
und über die Äußerlichkeiten, die schulmäßigen Griffe der Bildner-
mechanik nicht hinausgelangen. Von den Ausnahmen braucht hier
nicht besonders die Rede zu sein, da von ihnen, das heißt von der
eigentlichen Kunst im Kunstwart ja fortwährend die Rede ist. Wo zer-
streute Minderheiten oder geschlossene kleine Gruppen richtiger Künstler
mit den Unkünstler-Organisationen gemeinsame Sache machen, erschweren
sie die klare Erkennung und die Bekämpfung des Landschadens.
All das dünkt uns, die wir uns näher mit den Künsten befassen,
wahrhaftig kein Geheimnis — und doch ist es das für Unzählige, die
„weitcren Kreise der Gebildeten" eingeschlossen. Beobachtet man die
Besucher dcr Kitsch-Säle in unsern Massenausstellungen, so möchte man zu-
weilcu dran verzweifeln, daß der Allgemeinheit auch nur die Grundbegriffe
von Gut und — Null in der Kunst jemals beizubringen wären. Allen
neuercn Bemühungen ernsthafter ästhetischer Lehrer und Zcitschriften zum
Trotz scheint da jeder Maßstab des Urteils zu fehlen. Iede Spekulation
auf die dumpferen Instinkte scheint- zu gelingen. Nicht zwar im materiellen
Sinn; denn die Verkaufserfolge sind verhältnismäßig zum Erbarmen.
Das „Gcfällige", Niedliche, Süßlich-Verschönte, das Pathctisch-Ernste,
das Theatralisch-Romantische wird noch am ehesten gekauft, vor allcn
Dingen aber entzückt oder verzückt gepriesen, das ehrlichste Ringen mit
dcn malerischcn Werten der Wirklichkcit aber wird, sobald es dem Hcr-
kömmlichen merklich zuwiderläuft, verhöhnt oder als „Klexerei" ab-
!. Augustheft Mg
Kunstausstellungsschmerzen
egen die Kunstausstellungen sammeln sich bei uns alle Iahre
» ^L^die Anklagen. Hier, meine Herren Leser und Damsn Leserinnen,
erhalten Sie zunächst zwei davon in dieser Hochsaison der
Kunstausstellungen zur gefälligen Nachprüfung vorgelegt.
Ausstellungslüge
Die sommerlichen Riesenausstellungen bemalter Leinwände (auf die
Plastik achtet kein Mensch) neigen sich bald dem Ende ihrer Wirksamkeit
zu. In Berlin und München heigen ihre Behausungen Glaspaläste.
Doch können solche Ausstellungen auch anders behaust und betitelt sein,
sie können von Kunstvereinen oder Händlern zusammengehängt werden,
mittlern oder geringen Umfang haben, und können doch desselben Geistes
sein, daher dieselben Wahrnehmungen erlauben, die hier wieder einmal
vermerkt werden sollen.
Die Sonderart einer derartigen Schau besteht darin, daß sie sich
mit dem Namen Kunst schmückt und demgemäß Anspruch auf die öffent--
liche Teilnahme, auf Förderung durch den Staat, den Fürsten, die Reichen,
die Gebildeten und die Bildungsbeflissenen erhebt, während sie in Wirk--
lichkeit großcnteils den wirtschaftlichen Interessen eines überflüssigen
oder gar gemeingefährlichen Gewerbes dient. Die halb, dreiviertels oder
ganz schlechten „Kunst"-Ausstellungen sind im wesentlichen Verkaufs-
märkte für die Ware minderbegabter „Künstler", das heißt Feinmechaniker,
die zur künstlerischen Zeugung im höheren Sinn nicmals berufen wurden
und über die Äußerlichkeiten, die schulmäßigen Griffe der Bildner-
mechanik nicht hinausgelangen. Von den Ausnahmen braucht hier
nicht besonders die Rede zu sein, da von ihnen, das heißt von der
eigentlichen Kunst im Kunstwart ja fortwährend die Rede ist. Wo zer-
streute Minderheiten oder geschlossene kleine Gruppen richtiger Künstler
mit den Unkünstler-Organisationen gemeinsame Sache machen, erschweren
sie die klare Erkennung und die Bekämpfung des Landschadens.
All das dünkt uns, die wir uns näher mit den Künsten befassen,
wahrhaftig kein Geheimnis — und doch ist es das für Unzählige, die
„weitcren Kreise der Gebildeten" eingeschlossen. Beobachtet man die
Besucher dcr Kitsch-Säle in unsern Massenausstellungen, so möchte man zu-
weilcu dran verzweifeln, daß der Allgemeinheit auch nur die Grundbegriffe
von Gut und — Null in der Kunst jemals beizubringen wären. Allen
neuercn Bemühungen ernsthafter ästhetischer Lehrer und Zcitschriften zum
Trotz scheint da jeder Maßstab des Urteils zu fehlen. Iede Spekulation
auf die dumpferen Instinkte scheint- zu gelingen. Nicht zwar im materiellen
Sinn; denn die Verkaufserfolge sind verhältnismäßig zum Erbarmen.
Das „Gcfällige", Niedliche, Süßlich-Verschönte, das Pathctisch-Ernste,
das Theatralisch-Romantische wird noch am ehesten gekauft, vor allcn
Dingen aber entzückt oder verzückt gepriesen, das ehrlichste Ringen mit
dcn malerischcn Werten der Wirklichkcit aber wird, sobald es dem Hcr-
kömmlichen merklich zuwiderläuft, verhöhnt oder als „Klexerei" ab-
!. Augustheft Mg