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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 22,4.1909

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Heft 23 (1. Septemberheft 1909)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8817#0358
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Lebende Worte

Vom sich Häuten

er Schriftsteller, in dessen litera-
rischen Produktionen sich wirk-
lich ein inneres Leben zutage ringt,
befindet gegen die Kritik sich meist
in dem Falle der Schlange, welche,

des neuen Frühlings sich freuend,
wohlgemut durch grüne Wipfel da-
hinschlüpft, indes unten die Ameisen
ihren abgestreiften Balg zerwühlen.

Wilhelm Weber (Vorrede
zu Iuvenals Satiren)

Ansre Mlder und Adten

»^^nser farbiger Steindruck nach Otto Bauriedl gibt ein Stückchen
^ I oberbahrisches Bergland aus der Nähe von Schliersee. „Gibt" er es?
"^v'Es hat dem Maler nichts darangelegen, Boden, Wald und Berg
so zu „porträtieren", daß jeder, der den Weg kennt, sagen mußte: „Nein",
ist das richtig!" Wir bitten den Beschauer, zunächst einmal darauf zu achten,
wie flächig hier alles gegeben ist. In alliM Teilen des Bildes ist außer-
ordentlich wenig mit Schatten und Licht gerundet, wenig modelliert, es steht
überall nur Fläche gegen Fläche. Trohdem wird das Ganze als solches
raumhaft. Auch in der Wirklichkeit, etwa bei Sonnenuntergang, schieben
sich ja die blauen Wald- und Bergkulissen durchaus nur als Flächen vors
Abendgold. Aber sie geben gerade dadurch das Raumgefühl nur um so
stärker an, weil so der einzelne raumbildende Teil in sich geschlossen ist,
also als einheitlicher Faktor mit gesammelter Kraft der Raumbildung des
Ganzen dient, ohne auf seine internen Einzelheiten das Bewußtsein ab°
zuziehn. Aus einiger Entfernung angesehn, wirkt Bauriedls Bild in
ganz ähnlicher Weise. Wie er beim Modellieren vereinfachte, hat er's
auch bei der Farbe getan. Wer die Voralpen nicht nur im Hochsommer-
grün kennt, weiß wie echt diese Farben sind. Bauriedl hat sie auf
einige wenige Töne zurückgeführt, im wesentlichen auf einen Iusammen-
klang von Oliv und Blau. Wie wohl der tut! Welche Ruhe aus ihm
klingt! Wir haben das kleine Meisterstück einer reifen Künstlerschaft
vor uns, die sich mit innigem Naturgefühl verbunden hat.

Die beiden andern Blätter führen uns von den Alpen weg ins Riesen-
gebirge. „Auch hier sind Götter", und zwar besondere. Es ist recht irrig,
im schlesischen Gebirgsland eine Art reduzierter Alpen zu sehn, Rübezahl
ist ein gsnius loei eigener Art. Am meisten werden wir an die Alpen,
richtiger: an die Voralpen erinnert durch Blicke vom Kamm in die Gründe,
wie besonders den in den Niesengrund, den uns Artur Gutknecht-
Nebra gemalt hat. Man muß unsre kleine Reproduktion geduldig so
lange ansehn, bis das Bild plastisch wird, ich empfehle dafür, das Auge
etwa in der Höhe des Plattenrandes zu halten; beim Herabsehn kommen
wir in die Raumillusion am ehesten, so daß die große Liefe als solche wirkt
und die Wolken als lebendige Vorhänge sich zu bewegen scheinen. Es
war ein Wagestück, gerade diesen, gerade fürs Riesengebirge besonders
charakteristischen Eindruck im Bilde festhalten zu wollen, uns scheint aber,
es ist dem Künstler geglückt.

Das Blatt von Otto Fischer (das im großen bei Arnold in Dresden
erschienene Original gibt natürlich weit mehr, als die kleine Repro-
duktion) zeigt uns sehr charakteristisch riesengebirglerische Landschaft. Ein
Moortümpel auf dieser weiten Kammhochebene, über die einige Koppen
sich wenig, wie in Müdheit heben, bei dunkelm Wolkentreiben, Negen-

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