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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 22,4.1909

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Heft 22 (2. Augustheft 1909)
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Rundschau
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Unsre Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.8817#0265
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eben ein deutsches Bnch und nur
ganz zuletzt ein Ersatz für das Ori-
ginal ist, müßte man wieder die
betreffenden Verleger für irrsinnig
halten, die Bücher drucken, nur
damit sie niemand liest. Es muß
also immer noch eine beträchtliche
Zahl Deutsche geben, die Aberset-
zungen lesen, entweder weil sie der
Originalsprache unkundig sind oder
weil sie sich für die so in Äber-
setzungen geschaffene dentsche Litera-
tur interessieren. Ein deutscher Ver-
lag brachte bis nun vierzig Bände
Marcel Prevost, ein andrer dreißig
Bände Ohnet — das ist Anterhal-
tungslektüre. Ein dritter Verlag gab
zwanzig Bände Maupassant, das ist
bessere Unterhaltungslektüre. Dann
kann man oft lesen: „Der franzö-
sische Roman wird immer ge-
meiner." Fa, wenn man nur den
deutschen Prevost kennt und die
lüderlichen Amschlagbildernichtüber-
setzter Boulevardschmarren in deut-
schen Buchläden! Gegen eine solche
falsche Vorstellung heutiger franzö-
sischer Literatur durch Äbersetzung
des Bedeutenden zu protestieren, ist
ein schöner Idealismus ein paar
deutscher Verleger, denn geschäftlich
sind die nichtigen Schreiber Ohnet
und Prevost besser als die Dichter
Gide und Claudel, die mindestens
neben den besten Dichtern des
heutigen Deutschland stehen. — Wir
sollen schön um nnser Deutschtum
nicht ängstlich sein. Verseheu wir
es mit einer Schutzmarke, so haben
wir nur allzuoft eine recht mindere
Ware damit gestempelt. Die guten
deutschen Bücher — wären es nur
mehr! — werden jedem Verleger
willkommener sein, als die aus dem
Französischen übersetzten. Aber wenn
er es vorzieht, von einem Buche
Gides lieber 600 zu verkaufen, als
von einem Buche Frenssens oder
Stilgebauers 50000, so gereicht ihm
das zu hoher Lhre, denn er nützt

dem deutschen Schrifttume auf
Kosten seines Heiligsten, als welches
der Geldschrank ist. Ganz abgesehen
davon, daß der von Rath besprochene
Hhperionverlag außer einer großen
und einer kleinen deutschen Zeit-
schrift genau so viele deutsche Bücher
als ins Deutsche übersetzte verlegt
hat, wobei ich allerdings im Gegen-
satz zu Rath die Puderquaste immer
noch zu den deutschen Büchern zäh-
len muß, weil ich von ihrem Autor
genau weiß, wie sehr sich der um
den deutschen Ausdruck dessen be-
müht, was er zu sagen hat.

Franz Blei

Willy Rath antwortet darauf:

Der sachliche Ton von Franz
Bleis Erklärung würde eine weitere
Änterhaltung über „Französelei"
und „Deutschtümelei" erlauben.
Wenn aber ein deutscher Schrift-
steller mit allen Zeichen des Ernstes
erklärt, er wüßte „keinen deutschen
Roman der letzten dreißig Iahre, der
sich auch nur im entferntesten mit
der Bedeutung der Romane von
Meredith und Flaubert* vergleichen
ließe", wenn er im Zusammenhang
mit der Besprechung meiner Bespre-
chung moderner Franzosenromane
anführt, auch Lessing, Goethe, Her-
der, Schlegel seien „Abersetzer" ge-
wesen, wenn er ferner über die un-
überbrückbare Kluft zwischen deut-
schem und romanischem Empfinden
mit der eleganten Wendung „unsre
okzidentale Kultur" hinwegspringt,
wenn er schließlich meint, „eine beste
Abersetzung" sei „eben ein deutsches

Buch und nur ganz zuletzt ein Ersatz

* Flauberts immerhin von den
Begeistertsten stark überschätztes
Meisterwerk erschien s857. Bei den
Franzosen also greift Blei fast dop-
pelt so weit zurück, als ers beim
armen deutschen Noman tun will.

Das heißt mindestens allzu ritter-
lich gegen die Nachbarn sein.

2. Augustheft IstOg 2s3
 
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