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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 9.1895-1896

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Heft 1
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11730#0027

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lichen Dresdner Bildern ist diesmal — darin scheinen merk-
würdigerweise fast alle Unbeteiligten einig zu sein — viel-
leicht das allerbeste ein Mannesportrait oon Franz
S iebert, ein Werk, das mit den ehrlichsteu Kunstmitteln
geradezu schlagend wirkt. Von den Dresdner Bildnis-
malern wenigstens thut es heuer unzweifelhaft keiner
diesem bisher kaum Genannten gleich. Recht gute Bild-
nifse freilich haben auch noch andre ausgestellt, wie denn
uberhaupt noch manches zu nennen wäre, wollt' ich alles
Tüchtigen Dresdnerischen Ursprungs gedenken. Bedeu-
tendes aber ift wohl nicht mehr darunter. Schade, daß
unsere Plastik heuer sehr fchwach vertreten, unfere Archi-
tektur aber gar nicht auf dem Platze ist. —

Lockt es wen aus diefer Ausstellungsgesellfchaft zur
traulichen Zwiesprach mit nur einem guten Gesellen, fo
gewährt das dem Verständigen jetzt in Dresden H ans
Thoma, denn ihm hat die Arnold'fche Kunsthandlung
wohl ein halbes Dutzend ihrer Wände für seine Bilder
eingeräumt. Ja, die Sonderausstellungen — wie konnnt
man ins Verhültnis mit einem Manne wie diesem, wenn
er mal sein geistiges Heim rings aufbauen kann, ohne
daß andre dazwifchenreden! Aus Dorf und Berg und
Wiese und Bufch, aus den Männer- und Frauen- und
Kindergestalten, aus den Wolken und Sternen droben, aus
den Naturgeistern, die drinnen und drunter walten — wie
feltsam fremdet, wie traulich heimelt hier alles an! Gott
im Himmel, wohin verflackert all die künstlich aufgeheizte
„patriotische" Strohfeuerkunst neben dieser ruhigen Herd-
flamme? Andere mögen's ergründen, wie man vor Ferdi-
nand Kellers Apotheosenbombast, vor Anton von Werners
Staatsaktionen, vor den meist fo unfagbar platten Feste-
drauflos-Bildern ach so mancher unserer allerhöchst aus-
gezeichneten Schlachtenmaler das Nationale suchen
kann, das hier fo vernehmlich zu jedem redet, der in der
Kunst deutfch verfteht, so eindringlich und so gar nicht
aufdringlich wie Vater- und Mutterlaut! A.

Runstgewerbe.

» Eine „kunstgewerbttcbL Pezessi'on" wird die
von Anton Seder geleitete und man darf wohl fagen,
geschaffene neue Kunftgewerbefchule von Stratzburg
genannt. Auf der gegenwärtigen Jndustrieausstellung
ftellt fie zum ersten Mal ihre Ergebnisse oor die größere
Öffentlichkeit, und das Ergebnis dieser Ergebnisse ist ein
allgemeines Staunen. Die Vorurteilslosen aus Deutsch-
land wie aus Frankreich sind fast einstimmig im Lobe,
fast einftimmig auch darin, daß fie den Leistungen Seders
eine grotze prinzipielle Wichtigkeit beimesfen.

Hüren wir einmal, wie P. F. Krell sin den Münchner
„Neuesten Nachr.") die Arbeit an derSchule schildert. Die an-
dern Schulen, sagt er u. a., „gehen aus von den alten Kunst-
ftilen und Motiven, und nach Aneignung einer gründlichen
KenntniK diefer alten Kunft erlauben fie dem Schüler
erft eine freiere Bewegung und ein näheres Verhältnis
zur Natur. Bei der Straßburger Schule wird (abgefehen
von einigen architektonischen Formen) die Kenntnis der
alten Kunft erst dann den Schülern übermittelt, wenn
fie schon durch ein reichliches Naturstudium hindurchge-
gangen sind. — Aber auch das Naturstudium wird in
Straßburg betrieben, wie an keiner Schule fonst; es ift
eben nicht nur ein Schulftudium, sondern ein Hinsinleben
in die Natur, ein inniges Vertrautwerden mit ihr. Man
begnügt sich nicht damit, Blätter und Früchte nach Natur-

abgüsfen zu malen und zu modellieren, und Blätter,
Zweige, Blumen und Früchte in nMnra in die Klasse zu
verbringen und abzubilden. Da ist ein prächtiger Garten
vor der Schule angelegt worden mit Bäumen, Gebüschen
und einem herrlichen Flor dekorativer Blumen und Kräuter.
Hier sitzen die Schüler und malen bei Sonnenlicht und
bei bedecktem Himmel. Vorgeschrittene gehen mit ihren
Lehrern hinaus in die Umgebungen der Stadt und fuchen
fich dekorative Szenerien, um fie abzumalen. Auch inner-
halb der Stadt werden einzelne kleine Profpekte unter
diefem Gesichtspunkt, d. h. als dekorative Effektstücke auf-
genommen. Es ift aber nnr bei den einfacheren Objekten
und nur in den ersten Stadien ein bloßes Nachbilden,
was da betrieben wird, dann kommt fchon der erste
Schritt zur fpeziellen Verwendung, das Arrangieren. Der
Schüler wird genötigt, die Zweige, Sträuße, Kränze u. s. w.
in bestimmte Felder hineinzupafsen. Die Sträutze, Kränze,
Gewinde und Blumenstäbe läßt sich die Schule jedoch
nicht vom Gärtner kommen, die Schüler binden fie felbst.
Es werden förmliche Übungen darin angeftellt. — Die
Schule hat fich fodann ein Aquarium zugelegt, das den
Schülern Gelegenheit gibt, Tag für Tag das Leben der
Fische, der Krebfe und Molche zu beobachten. Außerdem
stehen zur Verfügung präparierte interessante Meertiere,
ausgeftopfte Vögel mit buntem Gefieder, wundervolle
Schmetterlinge, Muscheln u. f. w. Es fehlt nur noch eine
Voliöre. sWarum sollten nicht so vielfach darzuftellende
Tiere gehalten werden, wie ein Adler oder ein Uhu, ein
Pfau u. dgl. mehr? Wie vielen Abbildungen davon sieht
man es an, daß die betreffenden Künftler es sich kein
direktes Studium haben kosten lassen!) — Was sodann das
Studium der menschlichen Formen in der Straßburger
Schule betrifft, so wird nach Kopfmodellen und nach dem
Akt gearbeitet. Seder hat das Wagnis unternommen,
natürlich nicht ohne Anfechtung, die älteren Schüler
weibliche Akte malen und modellieren zu laffen, und mit
Recht. Die reizvollen Formen des weiblichen Körpers
gehören zu den notwendigften Requisiten der dekorativen
Kunft. Ohne ein Studium nach der Natur welch tote
Gliederpuppen, welch aufgeblasene Kautfchukformen! Man
begegnet solchen Mitzgeburten allerorten bei Plakaten,
Wandmalereien u. s. w. Die Zöglinge, die an Kunst-
akademien zum Studium des weiblichen' Aktes zugelasfen
werden, find ja nicht älter, als diese Kunftgewerbeschüler.
Hat man dort die Bedenken überwinden können, fo müssen
sie hier auch fallen. — Das geschilderte Naturstudium
bewegt sich in einem sorgfältig vorgezeichneten Stufen-
gang hinsichtlich der Zeichnung, der Modellierung, wie
auch im Kolorit. Die verschiedensten Arten der Darstell-
ung kommen, wie schon bemerkt, zur Anwendung. Die
Objekte werden von allen Seiten und in der verfchiedensten
Beleuchtung abgebildet, so daß der Schüler ihre charak-
teristifchen Eigenheiten kennen lernt und sich unauslöfchlich
einprägt. Darnach geht es an das tlbersetzen der Natur-
formen in ftilifierte, wie es die verschiedenen Tech-
niken und die jeweiligen Themata verlangen. Hiebei
kommt der Schule ausgezeichnet zu ftatten, daß Lehr-
werkftätten mit ihr verbunden find, daß erprobt
werden kann, ob die entworfenen Formen auch für das
betreffende Material pasfen und ob sie günftig wirken. —
Endlich das Entwerfen! Gehen die Schüler, nach Empfang
eines Themas, zuerst, um sich zu inspiriren, in ein Mu-
feum oder in eine Bibliothek, Pausen zu nehmen, wie das
anderwärts gefchieht? Nichts da! Der Schüler erhält nur
 
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