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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 9.1895-1896

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Heft 5
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11730#0089

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schwert, datz es vielfach unseren angelernten Anschauungen
und unseren gewohnheitsmäßigen Liebhabereien wider-
streitet. Ein Einzelner, mit einer beratenden, aber nicht
beschlietzenden Kommission zur Seite, könnte, falls er der
rechte Mann wäre, es allenfalls wagen, sich durch dieses
Heer von Schwierigkeiten mit Anstand und wenigstens
überwiegendem Ersolg, so wie die hervorragenden Privat-
sammler es gethan haben, durchzukümpfen, salls ihm das
nötige Vertrauen entgegengebracht wird; doch ist letzteres
zu unserer Zeit des parlamentarischen Regiments kaum zu
erwarten. Eine Kommision aber nach Art der bestehenden
ist, wie die Thatsachen lehren, einer solchen Aufgabe nicht
gewachsen. Keine der früheren Zeiten hat sich auch damit
abgegeben, moderne Galerien von Staats wegen zu bilden.
Das war eine Privatsache der Fürsten, die anschafften,
was ihnen gefiel; oft mit sehr feinem Geschmack, wie die
vielen Sammlungen deutscher Fürsten namentlich des
vorigen Jahrhunderts lehren, die den Grundstock der
jetzigen Museen bilden; daß aber auch vieles, sehr vieles
in diese Sammlungen Eingang fand, was nur einen
Tribut an den Geschmack der Zeit darstellte und später
seinen Wert vollständig einbützte, zeigen jene Reihen von
Bildern, die in unseren Galerien zur Füllung der oberen
Wandteile verwendet werden, wo sie ein unbeachtetes
Dasein fristen; von all den später ausgeschiedenen und
verkauften Bildern ganz zu schweigen. Jene Fürsten waren
für solches Thun niemand verantwortlich; jetzt aber, wo
es sich uin die möglichst gute Anlegung staatlicher Mittel
handelt, liegt die Sache wesentlich anders.

Man braucht deshalb noch nicht ohne weiteres Eng-
lands Beispiel zu folgen, das sür seine Nationalgalerie
Werke lebender Künster grundsätzlich nicht kauft. Ebenso-
wenig sollte man sich an dem einzigen Trost, der zur Zeit
besteht, genügen lassen: die Zukunft werde schon die wirk-
lich guten Sachen auswählen und zu einem Museum
von neuem und dauerndem Bestande vereinigen. Denn
dabei bleibt die Frage, was denn die übrigen, nicht aus-
gewühlten Werke sollen, ungelöst. Wohl aber vermag das
in künstlerischer Hinsicht uns jedenfalls nahe verwandte
Frankreich einen Fingerzeig dafür zu geben, wie die Sache
mit Ersolg angefatzt werden kann. Dort gibt es drei
grotze staatliche Sammlungen, die modernen Kunstwerken
offen stehen: das Luxembourg, das die Werke — wohl-
gemerkt nicht nur französischer sondern, unter besonders
strenger Auswahl, auch ausländischer Künstler — zu sam-
meln sucht, welche als besonders glückliche Ergebnisse
höchster Anspannung der künstlerischen Kraft erscheinen;
die historischen Galerien von Versailles, die für die Aus-
nahme aller der Werke bestimmt sind, welche durch ihren
Gegenstand das Gefühl der Vaterlandsliebe zu kräftigen
geeignet sind; und endlich als Gegensatz zu diesen beiden
Sammlungen, die nur Durchgangsstellen zu bilden
brauchen, der Louvre, wo ein Werk erst zehn Jahre nach
dem Tode seines Schöpfers und erst nach strengster
Prüfung hineingelangen kann, dann aber auch dauernd
den Meisterwerken der alten Kunst beigestellt wird. Jede
dieser drei Sammlungen dient in ihrer Weise dem Bedürfnis
des Augenblicks, daher ersolgt die Ausnahme in jede von
ihnen auch vom Standpunkte der Gegenwart aus; der
aber ist der einzige, der vernünftigerweise bei der Be-
urteilung von Kunstwerken angewendet werden kann.

11m zu einem gleich günstigen Ergebnis auch in
Deutschland zu gelangen, bedarf es durchaus nicht einer
Verstreuung über verschiedene Gebäude, wozu bei der Viel-

heit emzelstaatlicher Sammlungen weder Anlatz noch
Gelegenheit vorhanden ist. Es genügt, wenn die ein-
zelnen Abteilungen innerhalb eines Gebäudes von einander
gesondert werden, so datz einerseits die Geschichtsbilder,
die Bildnisse hervorragendcr Persönlichkeiten, die Schilder-
ungen deutschen Landes und deutschen Lebens vereinigt
sind, andererseits diejenigen Werke, welchen ein aus-
gesprochener Kunstwert innewohnt, und endlich, zu einer
Art Tribuna vereinigt, diejenigen der bereits der Ver-
gangenheit angehörenden Schöpfungen, welche als Meister-
werke anerkannt worden sind. Eine solche Sonderung in
R u h m e s h a l l e, K u n st s a m m l u n g und Ehren -
tempel ist unbedingt nötig, damit das Publium nicht
irregeführt werde. Daraus allein auch ergibt sich der
Gesichtspunkt, nach dem in Zukunst die Kunstsammlungen
vervollständigt werden sollten, nämlich der der Förderung
aller ernsten und hohen Kunstbestrebungen. Denn die
ganze Art unseres modernen, wesentlich durch den Staat
grotzgezogenen Kunstbetriebes, die gewaltsame Züchtung
auf den Kunstakademien, die mörderische Konkurrenz auf
den Ausstellungen, die planmäßige Förderung einer am
grünen Tisch ersonnenen Monumentalkunst,— all dies
drängt daraus hin, datz der Staat durch
Ankäufe in die von ihm unterhaltene
Kunstbewegung eingreise und für diellnter-
bringung gelungener, aber aus den pri -
vatenKäusernichtberechneterSchöpfungen
Sorge trage. England, wo keine staatliche Kunst-
pflege besteht, wo die Royal Academy nur ein Privat-
Jnstitut ist, wo keine grotzen allgemeinen Ausstellungen
stattsinden, sondern nur eine akademische, bietet hiefür die
Gegenprobe; dort werden moderne Werke von Staats
wegen nicht angekauft. Um aber die vorgeschlagene Neu-
ordnung unserer modernen Sammlungen vorzunehmen
und deren Weiterführung in diesem Sinne zu sichern, be-
darf es einer völligen Umgestaltung des gegenwärtigen
Kommissionswesens. Diese aus den verschiedenartigsten
Bestandteilen zusammengesetzten Kommissionen, wo eine
Stimme die andere aufhebt, so daß jeder Begriff von
Verantwortlichkeit schwindet, sollen die Direktoren in ihrer
Thätigkeit mätzigen, zügeln und unterstützen, in Wirklichkeit
aber hemmen sie nur deren Wirksamkeit. Denn die
Elemente, aus denen sie zusammengesetzt zu sein pslegen,
eignen sich infolge der offiziellen Art ihrer Ernennung ge-
wöhnlich möglichst schlecht für die Lösung der gestellten
Aufgaben. Hat man einen tüchtigen Direktor, so wage
man es, ihn alljührlich aus Vorschlag seine Kommission,
die alsdann nur eine beratende Stimme haben müßte,
selbst wählen zu lassen. Die Rücksicht aus die Oeffentlich-
keit wird ihn schon nötigen, sich diese Kommision so zu
wählen, datz er von ihr auch wirklich zum besten beraten
werde; in Gegensatz zu den Ratschlägen der einzelneu
Kommissionsmitglieder wird er aber nur dann sich zu
stellen wagen, wenn er seiner Sache vollkommen sicher
ist. Alles kommt freilich hierbei darauf an, datz der
Direktor selbst die geeignete Persönlichkeit sei.

vernüscbtes.

» Ikunstgewerblicber illusmu.

Schmerzte uns nicht der Raum, den's brauchte, wir
könnten in jedes Heft des Kunstwarts diese Rubrik nicht
nur ausnehmen, sondern ganz stattlich süttern. Denn bei
 
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