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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 9.1895-1896

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Heft 5
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.11730#0091

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-A

Vor dieser glänzenden Versammlung sollen
Des deutschen Volkes Dichter insgesamt
Jetzt zeigen, was sie können, was sie wollen,

Ob ihr Talent auch wahrhaft gottentstammt.

Das edle Roß verdanken wir Apollen,

Es harrt des Reiters kraft- und mutdurchflammt.
Mit wahren Dichtern wird's zum Himmel steigen —
Wohlan, ihr Herrn, wollt eure Kunst jetzt zeigen!"

Zuerst erschien denn nun der Chor der Alten,

Alle bekränzt, in wallendem Talar.

Sie wußten ihre Leier gut zu halten
Und stellten überhaupt sich würdig dar.

Manch einen sah man fromm die Hände salten,
Vielleicht weil ihm der Bauch beschwerlich war.

Es gibt, das kann ich aus Erfahrung sagen,

Doch Dichter jetzt, die diese Zierde tragen.

Es waren etwa vierzig Mann — man zähle
Sie sich gefälligst selber Stern bei Stern.

Jch bürge nicht dafür, daß keiner sehle —

Laut wiehernd grüßte Pegasus die Herrn

Und kam heran, als ob er selber wühle

Den Reiter sich. Nun, Mißgunst liegt mir sern,

Der erste, dem er schnuppernd naht' im Kreise,

War unser kleiner Goethe, Don Paul Heyse.

Der ließ sich denn auch nicht zu lange bitten,

Gab Grosse seine Leier in die Hand
Und wagte, als er dicht herangeschritten,

Rasch einen Sprung; da saß er, elegant.

Die Leier nahm er wieder, und inmitten
Des Rundes ritt er, wie ein Lieutenant.

Dann ließ er seinen Renner auch noch sliegen,

Doch nicht sehr hoch. Draus ist er abgestiegen.

Nach Heyse kamen seine Freunde alle,

Die Münchner, als da Grosse, Lingg und Hertz.

Die hatten oft den Pegasus im Stalle,

Und langsam trug er sie jetzt himmelwärts.

Ein bischen Angst, daß einer jählings falle,

Empfand man zwar; denn, ach, wo ist der März,
Wo diese Sänger jung und fröhlich sangen?

Doch ist die Sache sehr gut abgegangen.

Roquette und Wilbrandt, Hopfen, Jensen wagten
Darauf den bügellosen stolzen Flug.

Man glaubt mir wohl, daß sie nicht rasend jagten
Und daß der Gaul sie nicht durch Wolken trug.

Doch sah man auch, daß sie nicht ängstlich zagten —
Sie hatten aber alle bald genug,

Umritten noch das grüne Rund am Ende
Und sprangen ab, alle noch recht behende.

Das Publikum sah anfangs mit Erstaunen,

Ja sast perplex ein Reiten dieser Art,

Und hatte viel zu slüstern und zu raunen,

Dann sand es doch das Rennen höchst apart.

Und mit Verwunderung merkte man am Braunen,
Daß er bei jedem Ritt ein andrer ward. —

Nun hab ich doch dem Tier Couleur gegeben;

Behalt es sie! der Reim der wollt' es eben.

Ja, Pegasus blieb keineswegs der gleiche,

Wenn ihn ein andrer Reitersmann bestieg.

Bald schrumpste er zum Klepper ein, als reiche
Sein Futter nicht sür diesen Sängerkrieg;

Dann wiederum ward glänzend seine Weiche,

Sein mattes Auge strahlend wie im Sieg;

Bald war als Hengst er aus Arabiens Gauen
Und bald als deutscher Droschkengaul zu schauen.

Das letztre nur bei winzigen Poeten,

Die ich hier selbstoerständlich nicht genannt,
Obwohl sie echt. Mancher der angetreten,

Lag auch nach füns Sekunden aus dem Sand.

Da hals kein Ziehn, Anklammern, Fluchen, Beten,
Der Gaul hatt' übermenschlichen Verstand;

Sein Rücken trug selbst den geringsten Dichter,
Doch keinen vom reimschmiedenden Gelichter.

Sehr drollig ward es, als der edle Gote
Jordan erschien, von Franksurt her am Main.
Natürlich war der Gaul ihm zu Gebote
Und schwang sich wacker in die Lust hinein.

Doch glich der Reiter oöllig Don Quixote,

Und Rosinante schien das Roß zu sein.

Warum das war, weiß ich nicht zu berichten,

Denn immer schätzt ich Wilhelm Jordans Dichten.

Gottschall bracht' eine Hitsche fromm getragen
Und sprang von ihr zum Musenroß hinaus.

Darauf begann er wild einherzujagen,

Doch plötzlich hielt das Rößlein an im Lauf.

Der Dichter zögerte nicht, es zu schlagen,

Da stieg es kerzengrade himmelaus

Und ließ sich dann mit Windesschnelle nieder.

Gottschall schrie laut: Jch thus gewiß nicht wieder.


Spielhagen kam, wie mich bedünken wollte,

Nun doch schon etwas altersschwach und matt.

Da auch die Politik nach oben sollte,

Setzt' er sich auss „Berliner Tageblatt".

Wie da der Gaul die Augen wütend rollte'

Er ruhte nicht, bis es sein Huf zertrat.

Dann trug den Reiter er ohne Beschwerde
So etwa hundert Fuß über der Erde.

Genug, so scheint mir, that ich jetzt einstweilen
Daß mir die Bosheit nicht ganz mangle, kund.

Nun will ich wieder Stern und Kranz verteilen,

Und Dich, Klaus Groth, Dich, Landsmann, preist meinMund.
Ja, Du kannst reiten, wie die Wolken eilen;

Wie scheint das Roß nun kräftig und gesund,

Als ob es einst in seinen jungen Tagen
Die grüne Marsch mit starkem Huf geschlagen.

Auch Meister Wilhelm Raabe sei gepriesen!

Wie ragt der einsam aus dem Dichtertroß!

Erst tummelt er gemächlich auf der Wiesen,

Dann spornt zu tollen Sprüngen er das Roß.

Vor allen deutschen Dichtern lieb ich diesen —

O schöne Stunden, da ich ihn genoß!

Und sagt ihr mir, sein Reich sei eng noch immer,

Ja, meine Herrn, das Herz ist auch kein Zimmer.

Noch mehr der Alten wußten gut zu reiten,

Es fehlt hier mancher Dichter von Gewicht.

Den Schweizer Meyer doch will ich begleiten
Hoch, hoch hinaus ins hellste Sonnenlicht.

Auch Martin Greis fliegt wahrlich gut — zu Zeiten,

Und Adolf Stern weicht größern Namen nicht,

Und so wür mancher Reiter noch zu nennen,

Den unsre Jüngsten nicht mehr anerkennen.
 
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