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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 9.1895-1896

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Heft 11
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11730#0187

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Maler gibt es keinen absoluten Lokalton, nur Stimmungs-
töne zeigen sich seinem Auge, und diese will er in ihrem
sarbigen Akkord festhalten. Es ist für den Anfänger oft
fchwer, diese Stimmungstöne, auch wo sie fehr aufdring-
lich auftreten, entgegen seinem Erfahrungswisfen richtig
zu geben. So künnen z. B. das Gegenüberftellcn von
gewissen Tönen, Reflexe, Spiegelungen und eigentümliche
Zustände der Atmofphäre bewirken, daß die Schatten
auf dem Wege himmelblau, die blauen Schieferdächer
rosenrot oder orangegelb erscheinen. Der grüne Baum
kann fich so rotgelb oder fo purpurrot fürben, daß man
seine grüne Farbe nicht mehr wahrnimint; die meisten
aber wifsen erfahrungsgemüß, daß Wege grau, Schiefer
blau und Bäume grün find und malen fie fo oder schüt-
teln den Kopf, wenn fie fie wahr gemalt fehen.

Der Laic weiß auch felten, welche Macht farbige
Akkorde haben können. Thatfächlich kann die feine Gegen-
überstellung von einem hellen Rot gegen ein tiefes Grau,
anknüpfend meinetwegen an einen Abend auf dein Meere,
oder ein helles Weiß auf einem getönten Weiß, an-
knüpfend an eine helle Figur auf einem hellen Grunde,
zu einem Bildmotiv genügen, und wir sind deswegen
doch noch lange nicht auf der Höhe der persischen Teppiche
angekommen, wie Friedrich Pecht meinte. Für den Laien
mag dann das Aeußerliche die Hauptsache bleiben; das
Problem, das fich der Künftler stellte und das er be-
zwingcn mußte, lag lediglich in dem feinen Abwägen der
beiden Töne zueinander. Der Künstler muß diese der
Natur nachempfinden, jedoch es geschieht ganz fubjektiv,
denn Farben find ein so unfaßlicher Begriff, daß nie ein
Mensch sagen kann: der Ton auf der Leinwand ift richtig
oder unrichtig. Man denke beispielshalber nur an die
Wirkung der Komplementärfarben. Ein gelber Rahmen
wird ein Bild blau geftimmt erscheinen lassen, eine blaue
Umrahmung eine warme Wirkung erzielen.

Es giebt alfo nur einen Weg für den Maler: seiner
Empsindung nachzufchaffen, zu fagen: so wirkt die Natur
auf mich, und ich male fie so, wie ich sie empfinde. Eine
genauere Kontrole aus die Wahrheit gibt es nicht, denn
das Bild soll nicht fowohl der Natur als vielmehr der
uom Künftler empfundenen Natur gleichen. Das hindert
nicht, daß feine Staffelei dicht neben der Natur ftehen
soll. Ein jeder neue Künstler bringt deshalb neue Far-
benskalen mit, ohne fürchten zu müssen, daß er fich wie-
derhole. Denn da fo lange wohl, wie die Welt fteht,
uoch nie ein Menfchenantlitz ganz genau dem anderen
geglichen hat und gleichen wird, wird der Künftler nie
in Verlegenheit geraten, neue Farbenakkorde anzuschlagen,
deren Wohlklang die Welt noch nie gehört. Ein jeder
Künstler wird auch nie über die Skala, über die er ver-
fügt, hinauskommen und in die des andern hineingreifen
können. Man wird dies beobachten können, wenn man
zwei Maler vor dasselbe Motiv stellt. Gäben fich beide
die größte Mühe, fo wahr wie möglich zu malen, fo
würden die Farben auf ihren Bildern doch nicht die
gleichen sein. Und jeder hätte Recht.

Es ift für den Maler notwendig, daß er seine Auf-
gabe groß ansieht. All die tausend Töne, die fich ihm
zeigen, verwirren ihn, und er ift versucht, feine Aufgabe
zeichnerifch anzufangen und die Töne allmählich dazu zu
thun. Beim Malen ift es jedoch notwendig, viele Töne
zusammenzufassen und die hauptsächlichften Grundftim-
mungstöne aufzufuchen. Die Oelfarbe ift das geeignetfte

Material dazu, um die angeschlagenen großen, die Sam-
meltöne, zu verfeinern und nachftimmen zu lasfen.

Vor der Zeit, in der man es beim Malen mit der
Farbenwirkung so delikat zu ntzhmen anfing, vielmehr
mit rohen Effekten arbeitete, wandten viele Maler ein
billiges Rezept an: fie stimmten alleBilder in einen warm-
braunen Grundton, der eine Verwandtfchaft mit dem
nachgedunkelten Gallerieton der alten Meifter haben sollte.
Mau tönte alle Schatten mit Umbra oder Mumie braun
an und malte in diese hinein. Natürlich kam das
Ganze aus der braunen Stimmung nie heraus, aber das
Mittel war einfach und für rohe Augen kam stets etwas
Gefülliges dabei zu Tage.

lSchluß folgt.)

» Ilvunstliteratur.

Betrachtuugeu ii b e r deu Staud g e g e u-
wärtiger R u u st. Von Kark L ü d e ck e. (Breslau,
Marufchke L Berendt. Mk. —.50)

Wer diesen ^8yz gehaltenen Vortrag des ^894 ver-
storbenen Geheimen Baurats Lüdecke aus dem Nachlaß
veröffentlicht hat, hätte vielleicht besfer gethan, dem
„mehrfachen Verlangen" danach nicht zu entfprechen.
Dritthalb Jahr können zu einer Klärung manches thun;
wir glauben nicht, daß der Verstorbene heute fo fprechen
würde, wie er damals gesprochen hat. Jedenfalls waren
feine Ansichten der Klürung bedürftig, und ift dieser
Vortrag weit eher geeignet, zu verwirren. Denn von den
Absichten selber wie von den Werken der „Neuen" hat Lüdecke
nach diefen seinen Sätzen erftaunlich wenig gekannt. Und
noch fremder scheinen ihm die wirklich wissenschaftlichen,
psychologischen und historifchen Methoden der Kunstbe-
trachtung geblieben zu sein, deren fich Gegner wie Freunde
der „Modernen" bedienen müfsen, falls fie mehr als „Ge-
schmacksurteile" geben wollen.

* Ikunstblätter unO öLilderrverke.

s ch w i u d - A l b u m. Holzfchnitte nach Moritz von
Schwind, reproduziert auf 52 Tnfeln in groß Folio.
(München, Braun Schneider. Mk. 20.—)

Es war wohl und schön gethan von der Verlags-
handlung, die Vollendung des ersten Vierteljahrhunderts
nach Schwinds Todestag durch die Herausgabe dieser
Sammlung von Bildern des Mannes zu feiern, der einst
durch manchen Beitrag zu den Münchner Bilderbogen
wie zu den Fliegenden Blättern zur Hebung ihrer Unter-
nehmungen fo wacker mitgethan hat. Sie treibt ja da-
mit keinen bloßen Hauskult; ist doch der deutsche Kunst-
freund nach der glücklichen Überwindung der notwendigen
aber kalten Pilotyzeit erst recht befähigt, die liebewerte
Persönlichkeit Schwinds wieder ganz zu ehren und zu ge-
nießen. „Wenn einer an einem fchönen Bäumle so recht
sein Lieb und Freud hat, da zeichnet er all fein Lieb
und Freud mit, und 's Bäumle schaut dann ganz anders
aus, als wenns ein Esel fchön abschmiert" — das be-
rühmte Wort Schwinds zu Ludwig Richter fällt einem
auch vor dieser Sammlung allenthalben ein; die „Lieb
und Freud", mit der da alles durchleuchtet ist, malt uns
auch die eigene Gestalt des Prachtmenschen hell vor die
Seele und läßt uns mit Vergnügen vergessen, daß wir
jetzt „besser zeichnen". Man darf freilich in der Verehrung
Schwinds nicht bis zur Ungerechtigkeit gegen die Heutigen
gehn; die meisten seiner Witz-Jllustrationen zu den Flie-
genden beispielsweise find doch mit der Zeit älter gewor-
 
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