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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 9.1895-1896

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Heft 17
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Avenarius, Ferdinand: Bildliche Ankündigungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.11730#0273

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daß hier die farbige Lithographie das Originat in
höchster Ursprnngtichkeit vermittett. Jst sie doch hier
in gewissem Sinne gar nicht mehr Reproduktionstechnik,
kann man doch hier von „Originat-Farben-
drucken" sprechen, wie man von Originat-Radie-
rungen spricht. Ein Oetgemätde ist eben eirr Oelgemälde,
ausschließtich aus Wirknngen der Oetmaterei hin hat's
der Maler ausschließtich mit den Mittetn der Oet-
materei geschaffen — vervietsättige ichs in Farben-
druck, so muß ich meine eigene Technik wohl gar
verstecken und verteugnen, denn möglichst täuschend
d e n Eindruck zu erwecken, tiegt mir ja ob, ats sei der
Farbendruck gar kein Farbendruck, sondern ein Oet-
gemätde. Die neuen Plakate jedoch geben sich nicht
nur ktar und deuttich als das, was sie sind, sondern
die Künstler sind hier von den Eigentümlichkeiten
ihrer Technik nicht gesesselt, sondern beslügett worden.
Auf den Farbendruck hin ist gezeichnet und koloriert,
auf das krastvolle Zusammenwirken hin möglichst
weniger Farbplatten mit der Farbe des Papiers,
und gerade hieraus sind die besten Effekte entwickett.
Das Getungene erscheint selbstverständtich: man sieht
es diesen Ptakaten nicht an, wie viet zu ternen und
zu verternen war, ehe man diese Einsachheit erreichte.
Aber nur deshatb wohl ging das so schnell, weil der
Bahnbrecher Cheret der Künstter und der Techniker
zugleich war. Er und seine Nachfolger haben sich so
in die besondere Technik eingetebt, daß wir nun aus
den bunten Zettetn bis ins kteinste ihr Auge und
ihre Hand walten sehen, als wär's ihnen das
Hauptvergnügen, gerade s o zu sagen, was sie sagen
wollten. Wir hören nicht mehr das Ktavierspiet, wir
hören den Ktavierspieter.

Die neuen Pariser Ptakate haben 5tünstler und
Jndustrielle anderer Länder zur Nacheiserung ange-
regt, eine btoße Nachahmung nämtich hielt sich
nirgends tange. Dre Engtänder und die Amerikaner
sind beim modernen Plakat nach deu Franzosen in
zweiter Reihe zu nennen, beide bitdeten die Gattung
nach den technischen und geschäftlichen Verhältnissen
ihrer Länder aus eigene Weisen aus. Bei den Deut-
schen regt es sich aus diesem Gebiete jetzt erst, aber
recht ersreuliche Knospen lassen nun schon aus Blüten
hoffen. Plakate, wie das von Otto Fischer sür die
„alte Stadt" der diessommertichen Dresdner Gewerbe-
ausstellung sind moderne Ptakate im guten Sinne
und doch keine Nachahmungen, es sind deutsche
Plakate. Sieht man neben ihnen die linienängst-
lichen und sarbenbangen großen Bitderkteinlichkeiten,
diese Sachen, die wirken wie in Zucker eingemachte
Dilettantenölbilder, die doch noch vor Kurzem von
den „Firmen sür Buntdrnck" ats ganz besonders
feine Ware empsohten wurden, so staunt man.

Bis jetzt waren es immer noch zumeist kunstge-

werbtich vorgebildete Lente, die in Deutschtand die
verhältnismäßig besten Ptakate lieferten; unsre eigent-
lichen „Kunstmater" standen dem praktischen Leben zu
sern, ats daß sie seine Bedürsnisse so leicht srei be- !
nutzen und beherrschen konnten. Wenn erst noch
inehr der Männer mit rein künstterischer Vorbildung
so sest im wirktichen Leben stehen, daß sie ihm zu
Zeiten dienen können, ohne von ihrem Besten zu ver-
lieren, dienen, wie der Freund dem Freunde dient,
dann werden wir eine rechte Plakatkunst haben.

Wir haben schon darauf hingedeutet, daß sie
keineswegs die einzige Art bitdticher Ankündigungen !
ist, die bewußter Pstege durch den Künstler noch
harrt. Da wird an belebtem Ptatze um einen Neu-
bau ein Bretterzaun geschtagen, und nun malt uns
hier ein Meister des Pinsets einen Herrn in berau-
schend schönem Patetot zur Erinnerung an die goldene
101, dort ein anderer eine Dame im Morgenkostüm
zur Mahnung an das einzig echte Exzetsior-Korsett,
dort ein dritter einen Glücktichen im Dampsschwitz-
apparat zur Erinnerung daran, daß es keine irdische
Seligkeit gibt ohne einen sotchen von Neumann. Hast
Du Deinen Hnmor vergessen, so wird Dir weh, wenn
Du daran vorübergehst. Jch habe einst in La Goletta
einen begabten Mater kennen gelernt, dessen Geld
geschwunden war, als er Afrikas Strand betreten:
er war keinem minder lieb, weil er neben seinen guten
Studien und Staffeteibildern Krämer- und Wirts-
schilder malte. Welcher Vernünstige würde einen wirk-
tichen Künstler gering schätzen, wenn er einen Teil
seiner Zeit zum Malen tustiger Firmenschitder ver-
wendete, aus daß ihm der andre Teit sreistände zu
freier Kunst? Zu sotchen Dingen könnten wir die
Unbesangenheit von den Amerikanern lernen. Wären
die Künstler aber doch zu „geniertich" dazu, aus lauter
Straße des Pinsels zu pslegen, so sollten wir sie wenig-
stens um Entwürse und Farbenskizzen bitten. Wir
würden dann auch der entsetzlich geschmacktosenSchriften
eher ledig, die von den Firmenschitdern her so oft noch
unsere Straßen schänden. Ehe die neuen Plakate aus
die Welt kamen, war in den Heimatländern des An-
preisens durch Klebezettel hier alle Kunst ein gegen-
seitiges itberschreien: nur durch Größe und Derbheit
kämpste man um das Auge der Leute. Jetzt tour-
nieren dort ans der beklebten Wand neben Masse und
Kraft die treffenden Linien, die anziehenden Farben-
ktänge, die guten Einfälle und der Witz, und die
Blicke von Tausenden suchen aus, was sie srüher erst
anschreien mußte, weit tustig ist, es anzusehn. Wäre
nicht eine ähnliche Entwicklung auch aus unsern Fir-
menschitdern denkbar?

Die Königliche Eisenbahn und die Kaiserliche
Post, sie setzen jetzt eine Ehre darein, daß ihre
Bauten nicht mehr bloße Kästen seien wie ehedem;
 
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