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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0087

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Heidelberg.

b7

Man war sicher, auf dem Pariser zu bestimmten Stunden gewissen Be-
rühmtheiten der Universität zu begegnen. Jch sehe noch heute den
alten Kirchenrat Paulus seine großen Augen, wie glühende Kohlen,
auf die Begegnenden richten, den knorrigen Historiker Schlosser seinen
Kopf mit dem einen durchdringenden Auge wie ein Vogel seit-
lich drehen, um zu grüßen, die vornehme Erscheinung des Pandektisten!
Thibaut an mir vorübergehen, auch den frommen Theologen Rothe ^
und den berühmten Staatsrechtslehrer Zachariae, der stets einsam, steif
und gerade in schäbigem Gewand daherschritt. Uns Studenten fiel
am meisten sein abgegriffener hoher Filzhut auf, wir erzählten einander,
er habe ihn testamentarisch der Bibliothek als eine der größten
Sehenswürdigkeiten für alle Zeiten zugewiesen.

Es sind nnn mehr als 50 Jahre verflossen. Die alte Musen-
stadt hat ihr 500jähriges Jnbiläum gefeiert, auch ich habe, als ihr
dankbarer Schüler, ehemaliger Lehrer und als Abgeordneter der Straß-
burger Kaiser-Wilhelms-Universität vom 2. bis 7. August 1886 daran
teilgenommen. Altheidelberg hat das Gewand der ländlichen Schönen,
das einst Hölderlin und uns in der Jugend so wohl gefiel, abgelegt,
und mit der anspruchsvolleren Tracht der modernen Touristen- und
Jndustriestadt vertauscht. Seit der Dampf Herrscher der Welt ge-
wvrden, mußte^die Stadt sich an den Lärm und Ruß der Bahnzüge,
der rasselnden Omnibusse, rauchenden Schlöte und Fabrikessen gewöhnen.
Spekulation rz^d Jndustrie ließ sie frei gewähren und vergaß, daß
die beiden kein ästhetisches Gewissen drückt. Es konnte nicht aus-
bleiben, daß dem wertvollsten Besitze der Stadt, ihren landschaftlichen
Reizen, da und dort empfindlicher Abbruch geschah. So zu Hüupten
des Schlosses, wo eine Fremdenherberge von ausgesuchter Häßlichkeit
auf die edeln Trümmer der Paläste eines knnstsinnigen Fürstenge-
schlechtes herabschant. Ja man hat es sogar zugelassen, daß die wnnder-
bare und schönste Aussicht, die das Schloß von der Gartenterrasse
darbot, viele Jahre lang durch einen Schleier grauer Staubwolken
verdeckt wurde, die von den turmhohen Kaminen eines riesigen Cement-
werks über den westlichen Teil der Stadt und deren Umgebung aus-
geschüttet wurden. Wie beklagte ich den armen Scheffel! Man hat
sein bronzenes, vorzüglich gelungenes Standbild am l l. Juli 1891
 
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