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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0096

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Mein Bruder Rudolf.

sich schweigend, ging aus dem Hause und kam nicht wieder. Alles
Nachforschen war vergeblich, er blieb verschwnnden. Nach einigen
Tagen erhielt mein Vater aus Mannheim einen Bries von unbekannter
Hand, des Jnhalts, man habe seinen Sohn auf dem Dampfschiss ab-
sahren sehen, er habe eine Fahrkarte nach Straßburg gelöst. Damals
befuhren Dampfschiffe, die Adler genannt, den Oberrhein bis Straß-
burg und Basel. Erkundigungen in Straßburg stellten fest, daß sich
ein junger Mann, Rndolf Osmund, der von Mannheim kam, bei der
Fremdenlegion hatte anwerben lassen. Dieser Osmund war unser
Rndols, er hatte Straßburg bereits verlassen und den Marsch nach
Toulon angetreten, dem Sammelorte der Legionäre, von wo sie nach
Algier verschisft wnrden. Mein Vater erschrack in den Tod, in Algier
mußte sein Sohn an Leib und Seele verderben. Unverzüglich fuhr
er nach Karlsruhe und snchte Hilfe bei dem Minister des Aeußeren.

Auf dem Bureau des Ministeriums erteilte man ihm den Rat,
sich unverzüglich an die franzdsische Gesandtschaft zu wenden. Hier
nahm ein jnnger Attachs sein Gesnch teilnehmend entgegen und ver-
sprach ihm, es solle von Seiten der Gesandtschaft was irgend möglich
geschehen. Die Entlassung Rudolfs aus der Armee stieß nach des
Attachss Versicherung auf keine Schwierigkeit bei den französischen
Behörden, weil er das gesetzliche Alter zum Eintritt in das Heer
noch nicht erreicht hatte. Bedenklicher war ein andrer Umstand. Einzig
und allein der Kriegsminister war berechtigt, über die Entlassung zu
verfügen. Somit mußte das Gesuch nach Paris gerichtet werden, nnd
bis hier der Befehl ausgefertigt und nach Toulon gelangt sein konnte,
schwamm Rudolf bereits auf dem Meere nach"Algier. Jn diesem Falle
war nicht mehr mit Sicherheit auf dieAusführung des Befehls zn rechnen.

Mit so schwachem Troste kehrte mein Vater nach Haufe zu-
rück. Wer beschreibt seine Freude, als nicht lange nachher eine
amtliche Anzeige eintraf, der Legionär Rodolphe Osmond sei anf
Befehl des Kriegsministers und Marschalls Soult ans dem französischen
Heerdienst entlassen und bereits auf dem Heimweg. Jn der That,
der verlorene Sohn traf bald in Heidelberg ein und brachte eine
Flasche Bisnna äs Olinnrxno-^tz aus Welschland mit, die er vergnügt
zur Feier seiner Heimkehr mit uns Geschwistern leerte.
 
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