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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0114

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Komfort und Lebensgenutz.

Das geräumige Wohnhaus, das er nachher in der Stadt für seine
Sammlungen und sich einrichten ließ, ist weder gefällig von außen
noch innen beqnem, sein Schlafgemach enge, das Arbeitszimmer des
weltumspannenden Geistes von rnhrender Bescheidenheit. — Geradezu
entsetzlich ist in Schillers Hause die Dachkammer, worin der brust-
kranke Dichter schlies, ehe er sein Bett in das Arbeitszimmer nebenan
bringen ließ, worin er starb.

Die schmalen und knrzen deutschen Betten mit den dicken Feder-
decken, die herabfallen, wenn der Unglückliche, der darunter schlafen
soll, sich umdreht, waren die stehende Klage der reisenden Engländer
und Franzosen. Ebenso die kleinen Wasserbecken auf den armseligen
Waschtischen. Man trifft solche Einrichtungen heute nnr noch da und
dort in den Gasthäusern kleiner Landorte.

„Schlafen Sie wohl! geruhsame Nacht!" —

Habe gedankt und ins Bett mich gemacht,

Ach! es war eine Nacht voll Schrecken,

Durfte die Beine nicht biegen und strecken,

Hörte die Mäuslein rascheln und tanzen,

Doch am schlimmsten waren die Wanzen.

Hab' es nicht aus den Ohren gebracht:

Schlafen Sie wohl, geruhsame Nacht!"

Wie tranrig es mit den Gewandstoffen aussah, zeigen die
Kleidnngsstücke im Münchner Nationalmuseum, die König Ludwig I.
von Baiern sowohl von sich als seiner Gemahlin Therese aufbewahren
ließ. Der König hat sie der Nachwelt sicher nicht zur Bewunderung,
sondern zu lehrreicher Vergleichung vermacht. Und die Färbung der
Gewebe verdankt der modernen Chemie solche Fortschritte, daß König
Davids sidonischer Purpur mit der Anilinpracht unsrer geputzten
Dienstmüdchen schwerlich zu wetteifern vermöchte.

Die letzte Hungersnot hat unser Vaterland 1816 und 1817
heimgesucht. Seither gab es wohl einzelne Mißjahre, aber der er-
leichterte Weltverkehr ließ es nicht mehr zu wirklicher Hungersnot
kommen. Als Lyceist sah ich noch kleine Weißbrote, bei uns Wasser-
oder Kreuzerwecke, im Elsaß Soubrötle, in Norddeutschland Semmeln
genannt, die man aus den Hungerjahren ausbewahrt hatte, sie waren
nicht größer als Wallnüsse.
 
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