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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0127

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Der Maulrsel.

^Els glücklicher Maulesel verbrachte ich sechs rosige Wochen
bei meinem Vater in Wiesloch. Die bilderreiche Sprache des Stu-
denten nennt die Jünglinge, die nicht mebr Schüler und noch nicht
akademische Bürger sind, Maulesel. Sie hängen nicht mehr als Grau-
tiere ihre Köpfe im Pferch des Gymnasiums und sind jetzt freigelassen
und ausgestiegen zur höheren Stufe des mnlns. Nach den seligen
Tagen der Kindheisi wo noch keine Schulwolke am Himmel steht, ist
die goldene Mauleselzeit im Leben die schönste.

Jch vertrieb mir die sechs Wochen mit naturwissenschaftlichen
Studien und Ausflügen, auch unter Beistand meines Vaters mit
Knochenlehre, und harrte mit Ungeduld des Angenblicks, wo die Vor-
lesnngen in Heidelberg beginnen würden. Es war mir zu Mute, wie
acht Jahre zuvor anf der Reise mit meinem Vater in Karlsrnhe, wo
ich im Hoftheater neben ihm saß und es kaum erwarten konnte, bis
der Vorhang endlich aufging. Bisher hatten mich nur Marionetten
entzückt, jetzt aber saß ich vor einer wirklichen Schaubühne und sollte
Mozarts Don Juan sehen und hören.

Der Abend war herrlich und er wäre noch schöner gewesen, wenn
nicht zu meiner Rechten ein alter Kanzleirat gesessen hütte, der unnötiger
Weise Furcht hatte, ich könne das Spiel ernst nehmen und Schaden an
meiner Gesundheit leiden. Jch begriff ja den Sinn der Handlnng
nicht und schwelgte glückselig in der Betrachtung der wechselnden Bilder
und den süßen Melodien der Musik, darum war es überflüssig,
daß der Kanzleirat in steter Sorge mich jedesmal tröstete, so oft
 
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