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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0155

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Ein Besuch bci Herrn Benazet in Baden.

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Jch reiste über Heilbronn, Stuttgart und Tübingen zunächst in
den württembergischen Schwarzwald nnd besuchte den altesten Bruder
meiner Mutter auf der Glashütte Buhlbach bei Frendenstadt. Von
da stieg ich über den Kniebis nach Allerheiligen, besah mir die Rench-
büder und Rippoldsau, kehrte über den Kniebis nach Buhlbach zurück
und wanderte dann das Murgthal herab zu den Hüttenwerken von
Gaggenan, wo einer meiner Korpsbrüder wohnte. Seine Familie
lnd mich ein, über den nächsten Tag, einen Sonntag, bei meinem
Freunde zu verweilen, was ich dankend annahm. Am Montag ge-
dachte ich dann, meine Fußreise über die Berge nach Baden und
weiter in den Schwarzwald hinauf fortzusetzen. Zu meiner Freude
teilte mir am nächsten Tag mein Frennd mit, daß er mich einige
Tage begleiten werde, sein Vater habe ihn bereits mit dem nötigen
Reisegeld versehen; anch füge es sich geschickt, daß ein Bekannter
morgen mit eigner Kutsche in Geschäften nach Baden fahre und uns
einlade, mit ihm den Wagen zu teilen.

Mein Freund war einer der angesehensten Burschen der Ver-
bindung, eine distinguierte Erscheinung, ein schöner Jüngling, mntig
wie Achill und gut talentiert, aber nicht wenig excentrisch. Sein
Vorname war Anton, er fand den Namen plebejisch und häßlich
und nannte sich Antonin, die Freunde freilich hießen ihn nach dem
französischen Schneider in Baden, der ihm seinen höchst eleganten An-
zug lieferte, Chevard.

Am Morgen vor der Abfahrt überraschte mich Antonin mit der
Frage, wie viel Geld ich in Baden bei Herrn Benazet aufs Spiel
setzen wolle? Jch gestand ihm fast beschämt, daß ich daran noch nicht
gedacht hütte, worauf er mich belehrte, noble junge Leute wie wir
dürften unter keinen Umständen Baden besnchen, ohne die Bekannt-
schaft mit den Salons von Herrn Benazet zu machen. Man müsse
sich aber vorher mit gnten Grundsätzen wappnen und fest vornehmen,
wie viel man -riskieren und gewinnen wolle. Er werde streng nach
diesem Prinzip handeln und 10 fl. riskieren, um 60 zu gewinnen.
Verwundert fragte ich, warum gerade 60 sl. ? -— „Meine Rechnung",
erwiderte er, „ist klar und einfach. Wir brauchen 60 sl., um vier-
spännig nach Straßburg zu fahren, dort als feine Lente im Hotel
 
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