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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0171

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Die Opposition.

151

Jn der That, die allgemeine Erregung trieb an allen Uni-
versitäten und nicht zum wenigsten in Heidelberg hohe Wogen; die
überwiegende Mehrzahl der Studierenden verlangte mit wachsender
Heftigkeit eine gründliche Reform des Studentenlebens. War doch,
wie ich eben erzählte, ein Hauch des neuen Geistes sogar in den
Komment der Korps gedrnngen; aber gerade gegen diese richteten sich
hauptsächlich die Angrifse der reformlustigen Kommilitonen und die
liberale Presse sekundierte ihnen. Man bezeichnete die Korps als die
gefügigen Werkzeuge Metternichs, als eines der Glieder an der großen,
um den edeln Leib der Mntter Germania gelegten Kette, die sie in
schmählicher Knechtschaft halte, und beschuldigte die Regierungen, daß
sie systematisch die Anmaßung der Korps auf Suprematie in der
Studentenschaft und ihr Treiben begünstigten. Wider das Gesetz
würden sie geduldet und sogar über kecke Heraussorderungen der Be-
hörden mit Nachsicht weggesehen. Die autokratischen Machthaber be-
nützten die Korps einzig zu dem Zwecke, die akademische Jugend von
der Teilnahme an öffentlichen Dingen abzulenken, ihren idealen Sinn
und das deutsch-patriotische Gefühl zu ertöten.

Der Schwabenkneipe gegenüber wohnte der Buchhändler Christian
Friedrich Winter, der längjährige freisinnige Bürgermeister nnd Land-
tags-Abgeordnete der Stadt Heidelberg. Man schrieb ihm den Aus-
spruch zu, das Schwabenkorps sei eine konzessionierte Brütanstalt zur
Züchtung Karlsruher Bureaukraten. Daran war nur soviel richtig,
daß die meisten Schwaben Söhne von Staatsdienern waren nnd eben-
falls Staatsdiener werden wollten. Wie die meisten Alten sahen auch
die meisten Jungen in der Beschränkung des Landesfürsten und mehr
noch seiner Beamten durch die Verfassung eine schädliche Einrichtung.
Einer oder der andere glaubte sest an das Dogma von der bureau-
kratischen Erbweisheit. Es wagte sogar ein Ehrenmitglied der Suevia,
das ihr freilich späterhin keine Ehre machte nnd im Leichtsinn unter-
ging, in der Kneipe die Behauptung: das Schwabenkorps sei der
Grundpfeiler des badischen Staats, — von da an erhielt er den Bei-
namen „der Staat". Auch ließ sich nicht leugnen, daß einige der
reaktionürsten Beamten aus der Snevia hervorgegangen waren, bei-
spielsweise der schlimmste von allen Censoren der Presse, der Freiherr
 
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