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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0174

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Die Opposition.

Wahlbezirk in die konstituierende Versammlung nach Karlsruhe ge-
schickt. Als die preußischen Truppen nach der Schlacht bei Wag-
häusel heran marschierten, geriet einer von den Abgeordneten in ihre
Hände. Tief empört stellte Steinmetz in der Versammlung die zornige
Frage an den Diktator Brentano, was die Regierung in dieser Sache
für Maßregeln zu ergreifen gedenke? Brentano erwiderte: „Sie
wird den Bnrger Steinmetz den Preußen entgegen schicken, um die
Freilasfung des Gefangenen zu verlangen." Trotz ihrer unheimlichen
Lage mußte die ganze Versammlung lachen.*)

Die Walhallesen wollten auf streng gefetzlichem Wege vorgehen
und eine geschlosfene Gesellschaft bilden, die weder Korps noch Burschen-
schaft sein und sich von gewöhnlichen bürgerlichen Gesellschaften kaum
unterscheiden follte. Sie legten den Behörden Statuten vor, wonach
sie auf alle änßeren Abzeichen verzichten, an Stelle des Duells ein
Ehrengericht einsetzen nnd sich ausschließlich sittlichen, wissenschastlichen
und gesellschaftlichen Aufgaben widmen wollten. Der Senat lobte
ihr Streben, aber das Ministerium wies sie ab mit dem Bedenken:
Studentenverbindungen gerieten auch bei den löblichsten Absichten auf
Abwege. Darauf hielten sich die Walhallesen ohne Statuten zusammen.

Nach dem Vorgang der sreisinnigen Gegner der Regierung in
der badischen Kammer nannten sich die Gegner der Korps in der
Heidelberger Studentenschaft gleichfalls Opposition. Sie gründeten
eiue akademische Reformzeituug, die in Mannheim erschien. die „Zeit-
schrift für Deutschlands Hochschulen". Als Redakteur wurde eiu ehe-
maliger Burschenschafter gewonuen, der Oberhofgerichts-Advokat Gustav
von Struve, ein Jdealist und Sonderling. Er lebte als Vegetarianer,
befaßte sich eifrig mit Phrenologie und redigierte das Mannheimer
Journal, ein Blatt von gemäßigt liberaler Richtung, erst später wurde
er zu dem wüteuden Revolutionär der Jahre 1848 49. Zweifelsohne
trug zu dieser Wandlung der unuuterbrocheue, erbitterte Kampf gegen
die Censur bei, die in Mannheim dem rücksichtslosesten aller badischen
" Censoren. dem Freiherrn Uria von Sarachaga überlassen war.

So sah es in der Heidelberger Studentenschast aus, als mein
letztes Semester herankam, das interessanteste von alleu, das Winter-
semester 1844/45.

*) Vergl. Häußer, Denkwürdigkeiten zur badischen Revolution, S. 609.
 
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