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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0186

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166

Die Alemannia.

«

Kein Mensch konnte ahnen, daß in Gestalt des blonden, be-
scheidenen und heitern, sast mädchenhaft drein schanenden stmä.

Josef Viktor Scheffel, ein Prinz aus Genieland bei der Alemannia
eingekehrt war. Die Gedichte, womit er die Kneipzeitung bedachte,
verrieten den künftigen Dichter des Trompeters von Säckingen,
des Gaudeamus und Ekkehard noch nicht, sie dufteten noch alle stark
nach der Karlsruher Schullampe. Jch bin in ihrem Besitz und werde
Proben daraus mitteilen. Ludwig Eichrodt übertraf ihn an leichtem
Versbau und neckischer Laune. Ellstädter und Blind lieferten ihre
Beitrüge in ungebundener Form, obwohl das erwähnte Bundeslied
von Blind seine poetische Begabung entschieden an den Tag legte.
Größer noch als sein Dichtertalent war sein Selbstgefühl. Wie ich
den Mitteilungen des Biographen Scheffels, Johannes Proelß, ent-
nehme*), hat Blind selbst noch vierzig Jahre nachher mit großer Be-
friedigung in der Wiener Neuen Freien Presse 1886 erzählt, wie tief
er auf den unbedeutenden Scheffel herabgesehen habe; er und seine
Freunde hätten den trockenen Philister einer engeren freundschastlichen
Verbindung für unwert gehalten.

Die Mitarbeiter an der Kneipzeitung unterzeichneten mit an-
genommenen Namen oder mit Bilderzeichen. Blind unterschrieb sich
Teuterich, Scheffel Tasso, lieber noch zeichnete er den Umriß einer
Tasse unter seine Beiträge. Den Namen Tasso verschuldete ein
schrecklicher Kalauer. Die Freunde hatten ihn eines Tags im Horn
vor dem Beginn des Kneipabends bei einer Tasse Thee überrascht,
mit Hohn überhänft und Tasso getauft. Aber nur in der Bierzeitung
hieß er so, im persönlichen Umgang schon voy der Schule her „der
Josef." Als „Meister Josefus^ vom dürren Ast" korrespondierte er
als Rechtspraktikant in Sückingen mit dem Heidelberger Engeren.
Erst lange nachher, nachdem er sich mit dem bösen Schicksal viel herum-
geschlagen, zuletzt aber gemeint hatte, Sieger geworden zu sein, nannte
er sich mit seinem zweiten Vornamen Viktor.

Dem Josef gefiel es besser in der fröhlichen Burschenwelt am
grünen Neckar, als vorher in München unter den klerikalßn Pro-

*) Scheffels Lebeil und Dichten, Berlin 1887. S. 45—49.
 
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