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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0190

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Der Neckarbund.

ein Rendezvous sich belustigender Stndenten, und Dozent Roeth, der
1846 zum a. o. Professor der Philosophie ernannt wurde, gewann
seinen Ruf als Lehrer hauptsächlich erst durch Julius Brann, Blind
und die Neckarbündler, die seinen gewagten Hypothesen mit dem vollen
Vertrauen gläubiger Jünger lauschten, obwohl sich seine kühnen Be-
hauptungen gegenüber der genaueren wissenschaftlichen Prüfung als
Jrrlehren erwiesen. Auch der dritte, Hofrat Kapp, war kaum ganz
ernst zu nehmen.

Sei dem, wie ihm wolle, unserem Michel gefiel Heidelberg, wo
ihn seine sozialistische Mission von Anfang an mehr beschäftigte, als
sein Fachstudium. Gleich nach seiner Ankunft sah er sich, wie er selbst
seinen Freunden später vertraute, bei verschiedenen Verbindungen, auch
Korps, auf ihren Kneipen um, ob er fruchtbaren Boden sür sein
Evangelinm fünde. Der tauglichste schien ihm die Alemannia, die
ihn aufnahm. Er brachte seine Lehren sehr bescheiden, sogar sanft
und schmeichelnd vor und gewann allmählich einen großen Einfluß
auf Hexamer und Blind, obwohl er sie nie zu entschiedenen Sozialisten
bekehrte. Jm Neckarbund rückte er mit seinem inneren Menschen ohne
weiteren Zwang heraus, kounte unbäudig grob sein und wie ein Flötzer
schimpfen anf die „Holben" und „Liberolen, nomentlich solche Jommer-
menschen, wie den Gervinus." — Wie ernst es ihm aber mit dem
Evaugelium, das er verkündete, war, bewies er 1849. Wie ein Feld-
prediger der Revolution zog er mit den ausständischen badischen Truppen
wider den Feind. Jn dem Tresfen bei Oos am 30. Juni traf ihn
eine Kugel in den Leib, er endete tödlich verwundet in dem städtischen
Hospital in Baden. So besiegelte er seinen Glauben mit dem Tode.

Wie es mit dem Neckarbunde weiter erging, ist mir aus den
Erzählungen meines späteren Freundes Tenner, der ihm eine Zeit
lang angehörte, und aus der Kneipzeitung des Neckarbundes, in die
ich Einsicht erhielt, bekannt. Er ging auf der abschüssigen Bahn, die
er eingeschlagen hatte, keck weiter, und einige ihrer Mitglieder, nament-
lich Blind, Steinmetz, Michel, Hexamer beteitigten sich bald thätig
an Volksversammlungen und als eifrige Korrespondenten an der radi-
kalen Presse. Die Kneipzeitung wurde namentlich von Blind mit
satyrischen Erzeugnissen bedient, die mit besonderer Vorliebe die
 
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