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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0223

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Naturforscher.

203

Ordentlicher Professor der Physik war G. W. Muncke, weit be-
suchter aber als die Vorlesungen des Ordinarius waren die des Extra-
ordinarius Philipp Jolly. Er war der ältere Bruder meines Mann-
heimer Schulkameraden Jnlius Jolly, hatte sich aus eigenen Mitteln
ein schönes Kabinett eingerichtet, trug glänzend vor, experimentierte ele-
gant und sicher, und wurde nach Mnnckes Tod 1846 dessen Nachfolger.

Leopold Gmelin, einer der verdientesten Veteranen der Rmpsrcko-
Onwoln, trng in einem Semester und einer Vorlesung anorganische
und organische Chemie vor. — Unser verehrter Lehrer war in
Göttingen 1788 geboren, stammte aber aus der schwäbischen Familie
Gmeliu, die seit Beginu des vorigen Jahrhunderts so auffallend viele
und ausgezeichnete Naturforscher hervorgebracht hat. Er dozierte in
Heidelberg seit 1813, wurde 1817 ordentlicher Professor und starb
1853. Jn der Mediziu hat er sich durch seine bereits erwähnteu,
mit Tiedemann herausgegebeuen Versuche über Verdauung berühmt
gemacht, die Gmelinsche Probe auf Gallenfarbstoff ist jedem Arzte ge-
läufig. Sein Aeußeres war ungemein einnehmend, der prächtige
Kopf mit dem geistvollen, freundlichen Gesichte von üppig gelocktem,
schneeweißem Haare umwallt, seine Freunde verglichen ihu treffend
mit eiuem blühenden Kirschbaum. Merkwürdigerweise schien Gmelin
im Vortrag befangen wie ein Anfänger, er brachte die Worte stockend
und hastend hervor, die zahlreichen Versuche aber, womit er das Ge-
sagte begleitete, mißlangen ihm nie. — Praktische Uebungen der Medi-
ziner im chemischen Laboratorium waren uoch nicht eiugeführt, sie
kamen erst durch Liebig in Gießen allmählich zur Aufnahme.

Jm Jahre 1840 ließ sich Hermann Delffs aus Kiel, ein Schüler
Pfaffs, als Dozent für Chemie in Heidelberg nieder. Zwei Hamburger
Mediziuer, Buck uud Sonntag, hatten feine Vorlesungen belegt und
rühmten seinen klaren und bündigeu Vortrag, was mich veranlaßte,
organische Chemie bei ihm zu belegen. Er machte die Hörer mit
Liebigs epochemachenden Eutdeckungen uud grundlegenden Anschauuugen
bekanut. Obwohl er sie mit mauchen bedenklichen Wenu und Aber
begleitete, regten mich seine Mitteiluugen dermaßen au, daß ich mir
die beideu berühmten Werke des genialen Reformators: „Die organische
Chemie in ihrer Anwenduug auf Agrikultur uud Physiologie," 1840,
 
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