Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0265

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Karl von Pfeufer.

245

hatte seine Macht eingebüßt. Pfeufer wurde an feiner Stelle als
Leiter der zweiten inneren Klinik berufen und zugleich der technifche
Berater des Ministeriums in den Sanitätsangelegenheiten des König-
reichs, — als solcher erwarb er sich um Baiern unvergängliche Verdienste.

Karl Thiersch, der berühmte, in Leipzig 1895 verstorbene Chirurg,
damals Dozent in München, später mein Fakultütskollege in Erlangen,
hat mir einst erzählt, welch ein seliges Gefühl der Erlösung über ihn
und alle jungen strebsamen Aerzte in München gekommen sei, als mit
Pfenfer die rationelle Medizin in den Räumen einzog, wo bisher
Ringseis die schlimmen Früchte des Sündenfalls außer mit Brech-
mitteln, Purganzen und Aderlässen eifrig mit den heiligen Sakramenten,
Sakramentalien und Gebeten aus dem Leibe der Menschen geschafft hatte.
Er wurde, wie die Jugend gehofft, ihr väterlicher Freund und Förderer
ihrer wissenschastlichen Arbeiten. So nahm er an Pettenkofers und
Thierschs bekannten Untersuchnngen über Verbreitung und Ursache der
Cholera lebhaften Anteil. Fast wichtiger noch war die Befreinng von
der büreankratischen Vormundschaft, die der ärztliche Stand in Baiern
seinen elfjährigen Bemühungen verdankte. Bis dahin hatten die Kreis-
medizinalräte den Aerzten den Ort angewiesen, wo sie die Praxis
ausüben, nach Umständen versauern und verkommen mußten, er setzte
trotz großer Hindernisse ihre Freizügigkeit durch und machte sie zu
Herrn ihres Geschickes. — Der prächtige Mann schied am 13. Sep-
tember 18ö9 auf einem Ausflug nach Pertisau am Achensee inmitten
der Seinigen plötzlich aus dem Leben, das Herz versagte unerwartet
seinen Dienst.

Pfeufer gehörte zu den Klinikern, die weniger durch ihre Schriften,
als durch mündliche Unterweisung auf ihre Zeit einwirkten, ähnlich
wie Schönlein, Krukenberg, Oppolzer. Seine litterarischen Erzeugnisse
beschränkten sich auf einige Aufsätze in der Zeitschrift für rationelle
Medizin, einen Bericht über die Cholera in Mittenwalde, eine muster-
hafte volkstümliche Anweisung, wie man sich bei der Cholera zu ver-
halten habe; — das ist so ziemlich alles, was er veröffentlicht hat.
Jn keinem Gebiete der Pathologie wirkte er bestimmend auf deren
Gang. Seine Bedeutung lag in dem Unterricht, den er in der Klinik
und seinen guten Vorlesungen zahlreichen Schülern erteilte. Jn
 
Annotationen