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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0291

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Die badische Staatsprüfung.

271

Sie auch die Pflanze, die ich Jhnen jetzt einhändige." — Es war
eine fußhoch aufgeschosfene blühende Staude der Itoäia olitor-ia, die
mit den ersten Strahlen der Frnhlingssonne wie ein grünes Röschen
auf den Ackerfeldern zu Tage kommt und von den Alemannen poetifch
„Sonnenwirbele", von den Köchinnen profaisch Feldsalat genannt
wird. — Der Kandidat gab sie nach kurzem Betrachten an Braun
mit den Worten zurück: „Dieses Kraut ist mir unbekannt!" — „Aber,
Herr KandidatF meinte Braun, „als guter Salatkenner follten Sie
doch auch den Feldsalat kennen!" — „Herr Profesfor," entgegnete
jener gekränkt, „diefes Kraut esfen wir in Leipzig nicht."

Jch muß den Herren Examinatoren nachrühmen, daß sie alle, bis
auf zwei, geschickt und mit guter Auswahl der Fragen prüften, weder
zn scharf noch zu oberflächlich. Dies Lob verdiente auch der so ge-
fürchtete Teuffel. Er prüfte in der Arzneimittellehre, die sich gerade
auf den physiologifchen Boden zu stellen begann. Jch hatte mir
für das Staatsexamen das Handbuch der Heilmittellehre des skeptischen
Oesterlein, das ein Jahr vorher in erster Auflage erschienen war, zum
Studium erwählt und eingeprägt. Teuffel prüfte mich eingehend
nach wohlerwogenem Plan über die schweißtreibenden Heilmittel;
ich zählte sie fämtlich mit Einschluß des Aderlasses, der Brechmittel
n. f. w. vollzählig anf, so viele ihrer eben damals bekannt waren —
es waren lange nicht so viele, als es heute giebt —, vergaß auch
zum Schluffe die Linden- und Holderblüten nicht. Er nickte zufrieden
und wollte nur noch wisfen, welche von diesen Blüten am stärksten
Schweiß treibe. Da juckte es mich unwiderstehlich, den Tenfel zu
necken und ich meinte, sie wirkten im Aufgnß mit gleicher Stärke,
wenn sie gleich heiß getrunken würden. Mit väterlicher Miene wies
er mich zurecht, meine Vermutung widerspreche seiner langen Er-
fahrung, die tloi'es sainbnoi überträfen die llonoL tiliao bei weitem
an diaphoretischer Kraft.

Der Medizinalrat W. L. Kölreuter, in früheren Jahren als
Balneologe angesehen, nunmehr aber veraltet und überdies fast tanb,
prüfte noch immer in Chemie und Pharmakognosie. Er legte einem
Kandidaten im mündlichen Examen eine kristallinische kleine Stange
von Cyanquecksilber zum Bestimmen vor nnd ließ den verlegenen
 
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