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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0297

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Eine Lektion bei der alten Frau Doktorin.

E)ein Freund Bronner hatte als Heidelberger Lyceist und
Student in der Sandgasse bei der Witwe eines Arztes gewohnt, die
alte Frau Doktorin genannt. Jhr Mann, Dr. Ottendorf, war jung
von dem Typhns hingerafft worden, der nach dem russischen Feldzug
die Rheinlande verheerte. Da sie nnbemittelt war und ihre beiden
Kinder gut erziehen wollte, mietete sie ein Haus und gab Studenten
Kost nnd Wohnung. Bronner war chr in liebevoller Verehrnng er-
geben, mietete sich nach dem medizinischen Examen im Frnhjahr 1846
aufs neue für das Sommerhalbjahr bei ihr ein und bestimmte mich,
gleichfalls bei ihr zu wohnen, bis ich als Assistenzarzt der Pfeufer-
schen Klinik im akademischen Krankenhause einziehen konnte.

Mit uns speiste bei der alten Frau Doktorin ungefähr ein
Dutzend junger Leute, die Mediziner Moleschott und Schaible, die
Juristen Bonz, Volk u. a. Jn seinen Erinnerungen gedenkt auch
Moleschott freundlich der Frau Doktorin und ihres Kosttisches. Sie
führte an der Tafel den Vorsitz; ihre Küche war einfach und schmack-
haft, das Getränke lauteres Wasser, wie damals an den meisten
Studententischen, die Unterhaltung äußerst lebhaft. An Stoff dazu
fehlte es nie, es gährte ja allenthalben in der Welt und sonderbare
Blasen stiegen aus der Tiefe.

Ein Gesundheitsapostel war nach Heidelberg gekommen. Er
nannte sich Ernst Mahner und wandelte mit priesterlicher Würde in
langem Gewande baarhäuptig, mit wallenden Haaren und mächtigem
Vollbart, durch die Straßen. Er hatte seine Heilslehre nach Mosis
 
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