DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0324
304
Prüfung auf dem Krankenbette.
Sommer 1846 nach und nach zum Hypochonder gemacht. Die
lüstigen Empfindungen deutete ich irrig und bezog sie auf ein schweres
Leiden. Sie wären durch richtige Lebensweise leicht zu beseitigen
gewesery aber in meinen falschen Jdeen befangen, gebrauchte ich ver-
kehrte Mittel. Zwar schränkte ich meine Nahrung auf leicht ver-
danliche, reizlose Kost ein nnd nahm sast keine erhitzenden Getrünke,
aber ich machte mir nnr wenig Bewegung nnd gebranchte statt täg-
licher, kalter Abwaschnngen des ganzen Körpers und kalter Bäder,
warme Bäder, die mir ein vornbergehendes Behagen verschafsten,
meine Haut jedoch noch mehr verweichlichten. Als ich zuletzt im Be-
ginn des Winters auf eine richtigere Auffassung meines Leidens kam
und mir fest vornahm, meinen krankhaften Empfindnngen nicbt mehr
nachzugehen, verschwanden sie wie auf einen Schlag, ich machte mir
mehr Bewegung nnd fuhlte mich besser, aber zur Abhärtnng meiner
Haut that ich zu wenig und büßte dafür bitter.
Ueber Weihnachten war ich im Urlaub bei meinem Vater zu
Besnche. Jn der letzten Nacht holte man ihn auf osfenem Wagen
nach auswärts, nicht warm genug bekleidet fuhr ich mit ihm, es war
eisig kalt und ich fror auf dem ganzen Wege. Am nächsten Morgen
kehrte ich nach Heidelberg zurück, ich sühlte mich unbehaglich und das
Unwohlsein nahm in den nächsten Tagen zu. Wenn ich mich vom
Sitze erhob, um zu gehen, war ich steif in den Gelenken und hatte
Schmerzen darin, ich verlor den Appetit, fröstelte, schlief sPlecht und
hatte schlimme Träume, doch besorgte ich meinen Dienst. Jn der
dritten Nacht aber weckte mich zu mitternächtiger Stunde ein wüten-
der Schmerz im Ballen der linken großen Zehe, es war, als würde
er mir in einen glühenden Schraubstock gepreßt, und ich fieberte.
So hatte uns Pfeufer die mitternächtige Einkehr des Podagra ge-
schildert, als ich zwei und ein halb Jahr zuvor seine Vorlesungen
über Gicht gehört. Jch erstaunte: so frühe sollte ich schon dnrch
den Besuch des Podagra ausgezeichnet werden? Hätte es mich nicht
so heillos am großen Zehen geschmerzt, so wäre ich fast stolz auf die
große Auszeichnung gewesen. Jch wagte sogawPfeufer bei seinem
Morgenbesuche meine Vermutung auszusprechen, wurde aber mit der
kurzen Bemerkung abgefertigt, nicht das vornehme Zipperlein sei bei
Prüfung auf dem Krankenbette.
Sommer 1846 nach und nach zum Hypochonder gemacht. Die
lüstigen Empfindungen deutete ich irrig und bezog sie auf ein schweres
Leiden. Sie wären durch richtige Lebensweise leicht zu beseitigen
gewesery aber in meinen falschen Jdeen befangen, gebrauchte ich ver-
kehrte Mittel. Zwar schränkte ich meine Nahrung auf leicht ver-
danliche, reizlose Kost ein nnd nahm sast keine erhitzenden Getrünke,
aber ich machte mir nnr wenig Bewegung nnd gebranchte statt täg-
licher, kalter Abwaschnngen des ganzen Körpers und kalter Bäder,
warme Bäder, die mir ein vornbergehendes Behagen verschafsten,
meine Haut jedoch noch mehr verweichlichten. Als ich zuletzt im Be-
ginn des Winters auf eine richtigere Auffassung meines Leidens kam
und mir fest vornahm, meinen krankhaften Empfindnngen nicbt mehr
nachzugehen, verschwanden sie wie auf einen Schlag, ich machte mir
mehr Bewegung nnd fuhlte mich besser, aber zur Abhärtnng meiner
Haut that ich zu wenig und büßte dafür bitter.
Ueber Weihnachten war ich im Urlaub bei meinem Vater zu
Besnche. Jn der letzten Nacht holte man ihn auf osfenem Wagen
nach auswärts, nicht warm genug bekleidet fuhr ich mit ihm, es war
eisig kalt und ich fror auf dem ganzen Wege. Am nächsten Morgen
kehrte ich nach Heidelberg zurück, ich sühlte mich unbehaglich und das
Unwohlsein nahm in den nächsten Tagen zu. Wenn ich mich vom
Sitze erhob, um zu gehen, war ich steif in den Gelenken und hatte
Schmerzen darin, ich verlor den Appetit, fröstelte, schlief sPlecht und
hatte schlimme Träume, doch besorgte ich meinen Dienst. Jn der
dritten Nacht aber weckte mich zu mitternächtiger Stunde ein wüten-
der Schmerz im Ballen der linken großen Zehe, es war, als würde
er mir in einen glühenden Schraubstock gepreßt, und ich fieberte.
So hatte uns Pfeufer die mitternächtige Einkehr des Podagra ge-
schildert, als ich zwei und ein halb Jahr zuvor seine Vorlesungen
über Gicht gehört. Jch erstaunte: so frühe sollte ich schon dnrch
den Besuch des Podagra ausgezeichnet werden? Hätte es mich nicht
so heillos am großen Zehen geschmerzt, so wäre ich fast stolz auf die
große Auszeichnung gewesen. Jch wagte sogawPfeufer bei seinem
Morgenbesuche meine Vermutung auszusprechen, wurde aber mit der
kurzen Bemerkung abgefertigt, nicht das vornehme Zipperlein sei bei