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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0353

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Tirol.

333

neuen Freunde hielten Wori. Zunächst knüpften sie an unsere Hüte
als Zeichen, daß wir berechtigte Gäste seien, rote Korduanstreifen, die
über unsern Nacken lange herabhingen und sich seltsam genug an den
hohen Cylindern ausnahmen. Wir trugen auf der Reise, worüber
man sich heute verwundern dürfte, wie es aber damals häufig Brauch
war, solche, von den Studenten Angströhren oder SchMe genannte
Hüte. Bronner hatte den seinigen, einen schwarzen Filzhut, von
Paris mitgebracht, ich den meinigen, einen grauen Klapphut oder
Oüapeam olagus, in Heidelberg als Pariser Neuigkeit angeschafst.
Nachdem wir so von den Burschen herausstasfiert waren, führten sie
jedem von nns eine holde Jungfrau aus den Hütten des Thales zn,
sie sollten unsre untrennbaren Partnerinnen sein an den Tafel- nnd
Tanzfreuden des Hochzeitsfestes bis zum nächsten Morgen.

Die Güste waren bereits zahlreich versammelt und noch immer
strömten neue herbei. Es war bald Mittag, ein guter Bratenduft
kam von der Küche und im Tanzsaal stimmten die Musikanten bereits
die Geigen. Man ging paarweise hinter einander zu Tische; auch
wir gingen im Zuge, die Diandln am Arm, und nahmen mit ihnen
Platz. Mächtige Schüsseln mit dampfender Suppe wurden aufgetragen
und aus tiefen Tellern mit ruhigem Behagen geschlürft. Der erste
Gang war damit beendet, wir brachen auf und wieder in geschlossenem
Zuge wanderten die Paare zum Tanzsaal. Wir drehten nns rüstig
im Walzer und genau eine Stunde, nachdem wir uns zum ersteu
Gange gesetzt hatten, saßen wir wieder im Speisesaal beim zweiten.
Jn dieser Ordnung wechselten von Stunde zu Stunde Schmaus und
Tanz bis in die tiefe Nacht.

Sicherlich wäre das Fest einförmig geworden, aber Sänger und
Jodler ließen sich zwischen hinein hören, und ausgezeichnete Tänzer
und Tänzerinnen zeigten ihre Künste, wodurch es zu angenehmer Ab-
wechslung kam.

Jn besonderer Erinnerung ist mir ein Liebeslied, das ein flotter
Bursche zum besten gab, ein Spottlied zugleich auf die Pinzgauer
Sennen des Salzburger Grenzlandes. Der Zillerthäler ahmte einen
Pinzgauer nach, der, mit einem dicken Halse behaftet, dem Diandl in
Vierzeilern seine heiße Liebe gesteht. Mit jeder Zeile drückt das
 
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