Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0362

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
342

Das Salzkammergut.

zu bereiten, und einen Löffel, um sie zu speisen. Wasser war in der
Nähe, Becher hatten wir selbst. Bald knisterte ein kleines Herdfeuer
zwischen den Steinen, an denen es da oben nicht fehlte, und es währte
nicht lange, so konnten wir unsre knurrenden Mägen stillen. Die
Nacht war inzwischen hereingebrochen. Unser Wohlthäter legte eine
Leiter ans Haus und wir stiegen mit ihm in einen engen Raum
unter dem Dach, wo wir in altem Stroh ein Lager fanden. Ein
kalter Wind strich dnrch die Sparren, ich fror, namentlich an den
Beinen, trotzdem sank ich in Schlaf.

Als wir uns frühe erhoben, waren meine Kniee steif und schmerz-
haft, wie im Winter in den ersten Tagen des Rheumatismus. Unter
Schmerzen stieg ich mit meinem Freunde nach St. Wolfgang hinab,
wo der Maurer wohnte, der uns den Führer machte. Hier mieteten
wir ein Fuhrwerk nach Jschl. Jch kam besser davon, als ich erwartete.
Nach einer gut durchschlafenen Nacht im warmen Bette fühlte ich mich
wohler, nahm noch ein warmes Bad und konnte meinen Freund anf
kleinen Spaziergängen begleiten. — Seit dieser Nacht auf dem Schaf-
berg behielt ich viele Jahre eine große Empfindlichkeit in den Knieen,
sie knarrten und schwollen häufig schmerzhaft an.

Jschl mit seinen berühmten Soolbädern war damals der be-
liebteste Sommeraufenthalt der vornehmen Gesellschaft Wiens. Davon
konnte man sich auf Schritt und Tritt leicht überzengen. An jedem
Aussichtspunkt, an jeder Ruhebank, in jedem Pavillon war angemerkt,
welche hohe Herrschaften die Stätte ihrer Gegenwart gewürdigt hatten.
Jrgend eine kaiserliche Hoheit hatte sich über eine schöne Aussicht
befriedigt geäußert, eine Durchlaucht auf einer Ruhebank sinnend oder
in Lesen verloren gesessen, eine erlauchte Dame den Mokka eines
Kaffeepavillons gerühmt, ein hochgeborener Graf in einer Weinschenke
sogar zu einem Glase „Heurigen" sich herbeigelassen. Dieser byzan-
tinischen Gesinnung der Jschler entsprang ein kleines Abenteuer, das
mich verdroß, meinen Freund dagegen sehr belustigte.

Auf einem unsrer kleinen Spaziergänge sahen wir an einer hübsch
gelegenen Mühle, mit der ein Gartensaal verbunden war, angeschrieben,
daß hier frisches Bier vom Fasse zu haben sei. Wir waren durstig,
betraten den Saal und fanden ihn leer; an der Wand leuchtete uns
 
Annotationen