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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0363

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Das Salzkammergut.

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eine Gedenktafel entgegen, worauf gefchrieben stand, daß hier ein Erz-
herzog inkognito ein Glas Bier getrunken habe, aber noch rechtzeitig
erkannt worden sei, worauf er geruht habe, die Güte des Bieres
gnädigst zu rühmen. Nachdem wir von dieser Begebenheit gebührend
Vermerk genommen, läuteten wir, fetzten uns an einen bequemen Tifch
nnd legten unsere Hüte auf Stühle neben uns. Mein Klapphut lag
so, daß man innen das große Wappen des Pariser Hutmachers mit
einer mächtigen goldfarbenen Krone darüber fehen konnte.

Bald erschien eine dienstfertige Alte, es war die Wirtin, und
fragte nach unserem Begehren. Wir bestellteu Bier. Beim Weggehen
verweilte sie einige Augenblicke bei meinem Hute und fchaute erstaunt
hinein. Als sie mit dem Bier wiederkehrte, kam sie in Begleitung ihres
Mannes, der uns mit unterwürfiger Freundlichkeit begrüßte und dann
meinem Klapphut, vermutlich auf Mitteilungen seiner Frau hiu,
eine besondere Aufmerksamkeit schenkte. Das alte Paar erinnerte an
Philemon und Baueis; wir forderten die Leute auf, an unserem Tische
Platz zu nehmen, und da der Alte seine Augen immer wieder auf
meinen Hut richtete, nahm ich diesen in die Hand, erklärte ihm die
Mechanik und ließ die Federn springen. Jch glaubte, daß ihn diese
Einrichtung neugierig gemacht hätte, es stellte sich aber heraus, daß
sie ihu ziemlich kalt ließ, es mußte etwas anderes an dem Hut sein,
was ihn interessierte. Er brachte das Gespräch auf die kaiserliche Fa-
milie und den Hof, namentlich erkundigte er sich angelegentlich nach
einem Erzherzog Este, der erwartet werde. Freund Eduard merkte
eher als ich, worauf er abzielte, nahm eine sehr vornehme Haltung
an und verneigte sich, so oft ich sprach, ehrfurchtsvoll vor mir. Als
ich erklärte, daß mir der Erzherzog und seine Absichten unbekannt
seien, gab sich Philemon nicht zufrieden und fragte geradezu, wie lange
ich geruhen wolle, in Jschl zu verweilen. Nnn begrifs ich und
wurde böse, weil mein Frennd sich aufs nene tief vor mir verneigte,
ich erklärte dem Wirte bestimmt, er scheine sich in meiner Person zu
irreu, ich sei ein Arzt aus dem Reich, komme vom Rheine und reise
nach Wien. Auch dies half nicht, er lächelte ungläubig, Bronner
zuckte die Achseln und machte eine Miene, als wolle er sagen: „Glaubt
ihm nicht, der hohe Herr wahrt nur sein Jnkognito." Dies bestürkte
 
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