Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0371

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Jn der Alservorstadt.

351

angeherrscht, „Sie haben Druckschriften? Damit müssen's unverzüglich
auf das Censuramt!" — „Es sind nur Bücher zum Studieren,"
meinten wir, „wir sind Aerzte, die hier stndieren wollen." — „Das
geht die kaiserliche Maut nichts an!" war die Antwort, „über Druck-
schriften befindet das kaiserliche Censuramt. Wenn die Bücher un-
schuldig sind, so dürfen's darin studieren." — So nahmen wir denn
unsre Bücher unter den Arm und ein kaiserlicher Mautsoldat führte
nns auf das nahe Censuramt, wo wir rasch und höflich abgefertigt
wurden. Hyrtl und Rokitansky erwiesen sich als unschuldig.

Darüber war der erste Tag fast ganz hingegangen, am Abend
vergaßen wir den ausgestandenen Verdruß im Volksgarten, dem
Sammelplatz der eleganten Welt, wo der Walzerkönig Strauß den
Fiedelbogen bald als Szepter schwang, bald damit heitere Weisen
den Saiten entlockte^ und die schlanke Gestalt dabei im Takte wiegte.

Am andern Morgen gingen wir anf das Polizeiamt, um die
Pässe vorzulegen und die Anfenthaltskarten zu holen. Der Beamte
fand nnsre Papiere in Ordnung, besah uns prüfend und stellte uns
die Erlaubnisscheine aus. Beim Verlassen des Bureaus trafen wir
einen Bekannten von Heidelberg, I)n. Prieger ans Meiningen, nach-
maligen preußischen Generalarzt, der, wie wir, zu Studienzwecken nach
Wien gekommen war. Wir begrüßten einander nnd kamen überein,
daß wir ihn vor dem Hause erwarten wollten. Lachend kam er bald
zn uns und erzahlte seine Unterhaltung mit dem Polizisten. „Ah!"
sagte ihm dieser, nachdem er Einsicht von seinem Passe genommen,
„Sie sind aus Sachsen, und nicht aus Baden, wie die beiden Herrn,
die vor Jhnen hier gewesen sind. Bei diesen heißt es: aufpassen!
Das badische Land liegt zu nah' an der Schweiz, wo es gefährlich
zugeht, Sachsen liegt gottlob viel weiter weg."

Diese Mitteilung unsres Kollegen war uns nicht angenehm,
wir befürchteten, die Polizei möchte uns den Aufenthalt in Wien er-
schweren, aber sie legte uns nie das geringste Hindernis in den Weg.
Die Schreiberseele hatte sich auf ihrem Bureau wohl nur recht wichtig
gemacht.

Auf die Empfehlung eines Landsmannes nahmen wir zuerst Kost
und Logis bei einem Junggesellen, einem gelernten Koch, in der
 
Annotationen