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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0385

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Jm allgemeinen Krankenhause.

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im Kranken- nnd Gebärhaus, Narrenturm und Findelhaus Verstorbenen
auch noch die gerichtlichen Sektionen der Stadt vorgenommen, diese
in einer besonderen Kammer, im Ganzen jährlich gegen 1600.

Die Zahl der jährlichen Geburten im Gebärhause betrug unge-
führ 3000. — Das Findelhaus nahm nicht bloß die Findlinge aus
der Stadt aust sondern anch tausende der Neugeborenen des Gebärhauses.

Wir kamen uach Wieu, als eben die Ferien begannen, aber es
wurden noch Kurse abgehalten und im Leichenhause täglich, Sonn-
und Feiertage ausgenommen, vormittags eine Menge Sektionen aus-
geführt, zu denen wir sreien Zutritt hatten. Wir nützten unsre Zeit
möglichst aus. Hebras Kurs über Hautkraukheiten, den wir sofort
besuchten, begann schon um 7 Uhr im Sommer und dauerte bis neuu.
Dann gingen wir ins Leichenhaus. Nachmittags besuchten wir mehrere
Kurse. Als im Herbste die Kliuiken wieder eröffnet wurden, gingen
wir häufig zu Skoda und dem Chirurgen Schuh und erhielten die Er-
laubnis, einige Wochen lang im Gebärhause zu praktizieren. Eine
Zeitlang begleiteten wir im November und Dezember die Chirurgen
Dumreicher und Sigmund bei ihrer Morgenvisite, sie begannen den
Tag sehr frühe, Sigmund war schon nm halb sieben, Dumreicher um
sieben Uhr auf seiner Abteilung.

Der lehrreichste von den zahlreichen Kursen, die wir belegten, war
der von Hebra. Er nahm drei Monate in Anspruch und wurde vier-
mal in der Woche, jedesmal in zwei Stunden, abgehalten. Jn der
ersten handelte Hebra die Hautkrankheiten systematisch ab, in der zweiten
stellte er Kranke vor und machte mit uns die Visite in seiner Abtei-
lung. Man sah Kranke in Menge, beispielsweise führte er uns zur
Veranschaulichung seiner Vorträge 14 Fälle von Lupus vor, 7 von
Prurigo u. s. w., auch lernte man die verschiedensten Formen kennen.
Sein Vortrag war klar und oft unterhaltend, nicht selten aber über-
schritten seine kritischen Ausfälle jedes erlaubte Maß.

Jm Fiudelhause nahmen wir einen guten Kurs über Krankheiten
der Neugeborenen, die der Hilfsarzt der Anstalt, Du. Bednar, erteilte.
Man hatte da reiche"Gelegenheit, die mannigfachsten uud schlimmsten
Formen septischer Erkrankungen im ersten Kindesalter kennen zu lernen,
die ich glücklicherweise in Privathäusern kaum wieder sah. So lange
 
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