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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0432

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412 Die Heerfahrt nach Holstein im August 1848.

konnten hier nicht einmal Schnaps auftreiben. Vielen Offizieren ging
es gleichfalls schlecht. Ein Hauptmann mußte das Schlafgemach mit
der Familie des Quartiergebers teilen: Vater, Mutter, eine Tochter
und der Hanptmann fchliefen in derselben Stube in zwei getrennten
Wandverschlügen.

An einem fchönen Septembertag war große Jnfpektion der Di-
vision v. Miller dnrch den Höchstkommandierenden der Armee, General
v. Wrangel; die badifche Brigade bildete den rechten Flügel de-r Auf-
stellung. Der berühmte General „Drauf", wie ihn feine Soldaten
nannten, kam im Wagen angefahren, trng aber riesige Reiterstiefel,
in denen er fast versank. Als er die Reihen musternd durchfchritt,
mochten die großen Stiefel die Spottlust einiger leichtsinnigen Pfälzer
gereizt haben, sie lächelten, der alte Haudegen aber vertrieb ihnen das
Lachen. „Jhr lacht?" donnerte er sie an, „wartet, ihr Bürschchen,
ich will ench das Lachen vertreiben. Jhr feid verwöhnt, bei euch zu
Hause hattet ihr Fleisch und Wein, hier, in Holstein, bekommt ihr
noch Speck und Schnaps, ich werde euch nach Jütland schicken, dort
follt ihr bei Wasser und Brot im Biwak liegen!" — Die Rede ver-
breitete Schrccken. Konnte das Fasten noch ärger werden, als auf
der Holsteiner Heide? — Glücklicherweise blieb es bei der Drohung.
Es kam der Besehl, nach Baden heimzumarschieren, nur ein Bataillon,
das Oberstlieutenant v. Porbeck kommandierte, mußte in den Herzog-
tümern zurückbleiben und überwintern. Der Arzt dieses Bataillons,
ein vn. Wallerstein, der in Karlsruhe in Garnison stand, und Frau und
Kinder, auch Privatpraxis hatte, klagte mir bei einer zufälligen Be-
gegnung, wie ungern er bleibe. Jch erbot mich, mit ihm zu tauschen,
er wandte sich nach Karlsruhe, ehe aber die Genehmigung dazu ein-
traf, war ich mit meinem Bataillon auf dem Marsche durch das König-
reich Hannover, die Cholera war in der heimkehrenden Brigade auf-
getreten und ich durfte mein Bataillon nicht verlassen.

Wir hatten die schlimme Seuche in Hamburg aufgelesen, in dessen
Vororten die Truppen einquartiert worden waren, ich lag am 19. und
20. September mit einem Teil unsres Bataillons in Horn. Den größten
Teil des 19. brachte ich in Hamburg zu und besnchte mit vn. Cohen das
allgemeine Krankenhaus, sah vormittags 40 Cholerakranke nnd wohnte
 
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