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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0440

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Jn Schleswig-Holstein 1849.

war kurz vor dem Treffen geschriebeu. Der arme Bursche berichtete
feiner bekümmerten Mutter, daß es ihm gut ergehe. Jetzt schlummerte
er vermutlich im Seetang oder die Leiche war bereits herausgefischt
uud ruhte auf dem Friedhofe. Die Leichen der iu die Luft Gesprengten
waren alle in den Seetang getriebeu worden, an mauchen Tagen wurden
6—8 herausgeholt. — Jch hob ein Stück Segelstange am Ufer auf,
ließ mir davon in der Stadt einen Briefbeschwerer machen und drei
Kartätschenkugeln darauf befestigen, die das Linienschiff in die Stadt
gefchleudert hatte. Jch besitze das Andenken noch, meine einzige Trophäe
aus jenem Kriege.

Der Stab des badischen Bataillons lag auf dem Gute Wolfs-
hagen. Jch meldete mich nachmittags bei dem kommandierenden Oberst-
lieutenant v. Porbeck, einem Manne in den Vierzigen, von vornehmer
Haltung. Schon am folgenden Tage erteilte er mir den willkommenen
Auftrag, die Feldfpitäler in Rendsburg, Schleswig, Flensburg und
auf dem Rückweg in Eckernförde zu besuchen. Jch follte mich nach
unsern badifchen kranken und verwundeten Soldaten umsehen und einen
Bericht für das Kriegsministerinm in Karlsruhe über das Ergebnis
meiner Reise erstatten. Ein Lientenant nahm teil an der Fahrt, er
hatte die Aufgabe, das ärarische Eigentum, das die Verstorbenen in
den Spitälern hinterlasfen hatten, zn fammeln.

Am nächsten Morgen reisten wir ab und legten den ganzen Weg
auf reqnirierten Fuhrwerken zurück. Mein Begleiter war einer von
den Lieutenants, die man im vergangenen Jahre auf das Drängen
der Radikalen aus Unteroffizieren zu Osfizieren befördert hatte. Es
waren tüchtige Leute darunter, mein Begleiter aber war in der Lieute-
nants-Uniform Feldwebel geblieben, ein „Commislieutenant." Seine
nllgemeinen Kenntniffe gingen über die eines ehrsamen Schnhmachers
jener Zeit nicht hinaus, eine Unterhaltnng mit ihm war unmög-
lich, für die Aufgabe aber, nach den Montur- und Armaturstücken
zu fehen, war er der rechte Mann. Alles andre ließ ihn gleich-
giltig, überall trieb er zur größten Eile, als ob uns der Feind auf
den Hacken fäße.

Unterhaltender als mein Begleiter war die breite, kriegerisch belebte
Heerstraße von Rendsburg nach Schleswig und Flensburg. Gleich unter
 
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