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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0453

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Jn Rastatt.

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Ein Augenzeuge, Professor Fickler am Gymnasium in Rastatt,
hat die Vorgänge bei der Meuterei und die Ereignisse bis zur Ueber-
gabe der Festung an die Preußen in einer Schrift: „Jn Rastatt 1849,"
(Rastatt, Hanemann, 1853) treu und gut geschildert. Ein andrer
Zeuge, Albert Foerderer, ein Rastatter von Geburt und damals Schüler
des Gymnasiums, später Pfarrer der katholischen Gemeinde in Lahr,
hat anch die nach der Uebergabe erfolgten Begebenheiten in einem
Hefte: „Erinnerungen aus Rastatt 1849" (Labr, Schömperlen, 1881)
erzühlt; Foerderer siel bekanntlich 1889 unter dem Mordstahl eines
Stromers, eines Anarchisten.

Die Verpflegung der vielen Gefangenen machte in der ersten
Zeit große Schwierigkeit, sie litten Hunger, Durst und Frost. Der
schlimmste Aufenthalt war in den ungesnnden Kasematten des Forts 0,
doch wnrde dies geränmt, sobald die Entlassung vieler unschuldig be-
fundnen Gefangenen Raum schasste, die Zurückbleibenden wurden sämt-
lich in dem minder ungesunden Fort verwahrt. Den Bemühungen
des preußischen Kommandanten der Festung, Major v. Weltzien, der
unter rauher Schale ein menschenfrenndliches Herz trug, gelang es,
die schwierige Aufgabe zu bewältigen. Auch die Gefangenen erkannten
dankbar sein Verdienst an, besonders dann, als nach seinem Weggang
ein Kürassier-Oberst seine Stelle einnahm und ohne sich, wie sein
Vorgänger, selbst in den Kasematten umzusehen, scharfe und nicht
immer zu billigende Verfügungen traf. Freilich mnß man zugeben,
daß die Gefangenen selbst dazu beitrugen, ihr Los zu verschlimmern.
Manche neckten und höhnten ihre verhaßten Wächter, wo sie glanbten,
es sicher wagen zu dürsen, diese haßten nicht minder die Freischärler
nnd antworteten, wenn es irgend geschehen konnte, mit wohlgezielten
Schüssen.

Gleich nach der llebergabe begannen die Gerichte ihr tranriges
Amt. Die meist gravierten Gefangnen kamen vor das Standgericht.
Sämtliche Richter wurden dem preußischen Heere entnommen, je einer
aus den sieben Rangstnfen vom Gemeinen aufwärts bis zum Major;
badische Juristen führten die Untersuchung; Anwälte wurden als Ver-
teidiger zugelassen. Die Sitzungen waren öfsentlich und wnrden in
einem großen Saale des markgräflichen Schlosses, das d'er Türken-

Kußmaul, A., Jugenderinnerungen. 28
 
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