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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0454

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Jn Rastatt.

besieger Ludwig von Baden erbaut halte, abgehalten. Die Zutritts-
karten erhielt man auf der Kommaudantur. Das Standgericht er-
kannte nur auf Tod durch Pulver und Blei oder auf Zuchthaus. Am
6. August wurden die ersten Todesurteile gefällt, am 20. Oktober das
letzte, im ganzen 19; auf Zuchthaus erkannte das Standgericht zuletzt
am 26. Oktober; drei Monate war es fomit in Thätigkeit. — Außer in
Rastatt waren auch in Mannheim und Freiburg Standgerichte ein-
gesetzt worden, und neben ihnen und noch lange nach ihnen waren
allenthalben im Lande die ordentlichen Gerichte vollauf beschäftigt, das
verletzte Gesetz zu sühnen. Tansende büßten den Rausch der Revolution
mit dem Verluste von Freiheit, Hab und Gutz oder wanderten in
die Verbannung.

Jn den ersten Tagen des September trat ich meinen Dienst in
Rastatt an. Zuerst erhielt ich den Austrag, täglich die Gefangenen
im Fort 0 zu besuchen, drei Tage nachher wurde mir ein großes Not-
lazarett im Fort znr Aufnahme kranker Gefangner übergeben. Es
fetzte sich aus zwei ansehnlichen, einstöckigen Gebäuden zusammen, die
unter einem rechten Winkel nebeneinander standen; das Haus Nr. 2
lehnte an die Mauer des Forts, die der Stadt zugekehrt war; von
dem Abort seines oberen Stocks aus konnte man bequem auf diefe, fehr
breite Mauer gelangen. Vor dem Lazarett stand ein Wachthaus für
die preußische Mannschaft, die es unter dem Befehle eines Unteroffi-
ziers zu überwachen hatte. Um Entweichungen aus dem Bau Nr. 2
über die Mauer auf das Glacis herab und von da in die Stadt zu
verhüten, stand ein besondrer Posten aus der Mauer selbst.

Wie der Name es fchon besagt, war das Notlazarett nur not-
dürftig eingerichtet. Die beiden Häuser konnten gegen 200 Personen
aufnehmen, ein Teil der Aufgenommenen mußte mit Strohsäcken und
Wolldecken auf dem Stubenboden vorlieb nehmen. Die Mehrzahl lag
in Betten ohne Matratzen auf Strohsäcken und es fehlte an Weiß-
zeug. Die Kost war ausreichend, wenn auch nicht für Kranke zuge-
richtet. Ungeachtet dieser Mißstände waren die Gefangenen, die aus
den unterirdifchen Räumen in das helle Licht der Lazarettzimmer kamen,
glückselig. Uebrigens waren nur wenige ernstlich krank, aber alle her-
untergekommen durch das unordentliche Leben, das sie schon vor der
 
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