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ein heidnischer
Tempel ?

Unterraume lag, Gerichtsverhandlungen stattfanden. Die der älteren Zeit entsprechende, recht-
eckige Anlage derselben,1) die in der christlichen Bauperiode bei unserem Dome zum gerad-
linigen Chorschluß führte, würde mit Rücksicht auf das Niveau des späteren Fischmosaiks
sogar an einen Römerbau der ersten Kaiserzeit denken lassen. Dieser wäre dann im 4. Jahr-
hundert verwendet worden, entweder, weil seine Anlage, besonders seine Mauerzüge, ganz
oder teilweise für den Umbau sich brauchbar zeigten, oder, um beide Arten der früher er-
wähnten Kirchen gründungen zusammenzufassen, weil auch das alte Tribunal die Erinnerungen
an Märtyrer, die dort verurteilt oder im Unterraume gefangen gehalten wurden, festhalten ließ.
Und dies erscheint umso eher glaublich, als der Bogen in der einen Kryptawand (S. 13 bei C)
auf früher nach Norden hin anschließende, ebenfalls tief gelegene Räumlichkeiten hindeutet.
Ja es verdient sogar die Möglichkeit Erwähnung, daß diese Kryptaanbauten oder halb unter-
irdischen Gänge, deren Spur an der Nordmauer zu sehen ist, mit der von uns gefundenen
Parallelbasilika (S. 24 ff.) einen Zusammenhang hatten.
Das Baptisterium Einen eigenartigen weiteren Beleg für unseren Erklärungsversuch vermuten wir in der

Vorgeschichte des Baptisteriums. Daß es ein römischer Bau, und zwar aus den ersten Jahr-
hunderten nach Christus sei, haben die Grabungen unzweifelhaft ergeben, und auch die weit
über die anschließende Hallenentwicklung vorspringende Dimension bezeugt den früheren
Ursprung. Wir sprechen hier bloß eine Vermutung aus, aber die Möglichkeit ist nicht aus-
geschlossen, daß auch dieses klassische Gebäude wenigstens einen ideellen Zusammenhang mit
jenen Erinnerungen hatte, welche an Krypta und Dom hafteten. Wenn die Grabungen es
zweifellos machen, daß der unterste Teil des Baptisteriums einem Römerbau angehört, lassen
es weitere Erwägungen unschwer zugeben, daß die Taufkirche auf den Fundamenten und zum
großen Teil in die Mauern eines heidnischen Tempels eingerichtet wurde. Ganz nach Art der
Tempel mußte der alte quadratförmige Bau auf Stufen zu ersteigen gewesen sein. Er stand
isoliert da, denn es fehlen ringsum Anschlußmauern, war mit dem Tore nach Osten gerichtet,
und für seine vier Nischen haben wir keine bessere Verwendung, als daß sie Götterstatuen
beherbergen mochten. Man würde sonst wohl gerne an einen Thermenteil denken, wie z. B.
das Frigidarium der Forumsthermen in Pompeji, kreisförmig im Innern und quadratisch um-
mauert, eine entfernte, der achteckige Raum in den Caracallathermen schon eine nähere Ähn-
lichkeit mit dem vorliegenden römischen Bau hätte. Einer ähnlichen Annahme für Aquileja
widerspricht aber die erst in christlicher Zeit erfolgte Einführung der Wasserleitung für die
Taufzwecke sowie der schon erwähnte Umstand, daß keine Anbauten nachzuweisen sind.
Wir können es uns auch nicht versagen, auf Kandlers Stadtplan2) zu verweisen, der zwischen
Baptisterium und Dom eine Straße durchgehen läßt, was mit einer Tempelanlage an Stelle
des Baptisteriums ganz gut stimmen würde. Da der heidnische Fußboden dieses Baues auf
einer anderen Kulturschichte ruht, scheint dieser römische Tempelbau nicht der ältesten Zeit
Aquilejas anzugehören, sondern wäre ins 2. oder 3. Jahrhundert nach Christus zu verweisen.
Vorher hat man auch, wie Professor Niemann urteilt, quadratischen Anlagen mit Nischen
eher eine kreisförmige Anlage vorgezogen, wie auch an der westlichen Mauer der auguste-
ischen Stadt ein älterer Rundtempel3) des Diovis gefunden wurde, der übrigens mit acht größeren
(2*50 m Durchmesser) und acht kleineren Nischen versehen war. Aus den Märtyrerakten
kennen wir einen mit vielen Statuen geschmückten Herkulestempel, in welchen der Präses
Beronius den Bischof Hilarus bringen läßt.4) Wie immer aber der Name unseres Tempels
lautete,5) hat es den christlichen Baumeistern schon genügt, seine mit der Krypta in einer
Achse ungefähr zusammengehende Orientierung und den festen Unterbau benützen zu können,
und die Stätte, wo Göttern geopfert wurde, in einen Ort der Abschwörung zu verkehren.6) Das
Alter des Volksausdruckes chiesa dei pagani (Heidenkirche = Tempel der Heiden?) ist nicht
mehr festzustellen; sicher aber bezieht er sich nicht auf den jetzigen Hallenvorbau des Bapti-

*) Lange hält, L c, S. 164, die rechteckige Anlage des Tribu-
nals gegenüber der halbkreisförmigen für die ältere.

2) Archeografo Triest. I, 1869, S. 94 fr.

3) Maionica, Fundkarte, S. 24, 30 f. Im Plan bei G.

4) Die Beschreibung des Tempels siehe oben S. 41, Anm. 3.

5) Die Inschrift BONAE DEAE CERERIAE (C. I. V. 761 in

ecclesia maiore) und zwei ähnliche 760, 762 (nel capitolo in casa di

M. P. Domenico) sowie Votivtafeln an Minerva, Äskulap und Hygieia
letztere nach Majonica aus den südwestlich vom Dom befindlichen
Fundorten 23 und 25 der Fundkarte, Text S. 12) genügen nicht zu
einer bestimmten Benennung.

6) Daß das Baptisterium als solches auf die Mitte des 2. Jahr-
hunderts zurückgehe, ist eine völlig willkürliche Annahme Ferrantes,
Basilica S. 44, ebenso hinfällig wie dessen Hinweis auf die Zeit
Aurelians wegen S. Illario, ibid., S. 43.

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