steriums, denn dessen Vorderstück ist lang nach Attila als Ersatz für die doppelarmige Atriums-
halle eingefügt worden und hat mit der Heidenzeit gar nichts gemein. Möglicherweise wußte
man aber vom Baptisterium, daß es ein Tempel gewesen sei.
Und nun dürfen wir abschließend auch jenes «alten Turmes» gedenken, der, gegenwärtig
ganz verschwunden, ehemals an der Nordseite des Baptisteriums stand und angeblich römische
Gefängniszellen barg.1) Das ist nicht so merkwürdig wie die im frühen Mittelalter erweisbare
Benützung des Oberraumes der unmittelbar anstoßenden Vorhalle zu einer auffallend schwer
zugänglichen Anastasiakirche. Dies Heiligtum kann nur einer lokalen Umstellung seine Exi-
stenz verdanken, sonst hätte man bei einer Reliquienübertragung doch der heiligen Anastasia
einen Altar im Dome selbst leicht errichten können. Es müssen also spezifisch lokale Gründe
dafür gesprochen haben, ein Zusammenhang, der sich aber wohl durch die Beziehungen der
merkwürdigen Heiligen zu dem altchristlichen Kerkerkultus herstellen läßt. Hier ist höchst-
wahrscheinlich ein Heiligtum, das früher in anderer Form anschloß, verschwunden und sein
Andenken nur in dem jetzt unzugänglichen Oberraume der Halle erhalten; der ehemalige Kern-
punkt seines Interesses müßte aber ein kirchliches Gebäude gewesen sein, das zur wiedergefun-
denen Nordbasilika sich ungefähr so verhielt wie das Baptisterium zum Dome. Damit würde
sich die Grundrißanlage des Gesamtbaues befriedigend ergänzen.2)
Wenn also unsere Vermutung nicht ganz unbegründet ist, gewinnt auch eine bisher nicht
beachtete Stelle in den Hermagorasakten ein eigenartiges Licht, wo gesagt wird, jener düstere
und enge Kerker sei schon durch die Anwesenheit und das heilige Wirken des Hermagoras
in ein Sacrarium Dei verwandelt worden. Nehmen wir, durch die Andeutungen der Anastasius-
akten und deren ungefähre Zeitbestimmung ermutigt, an, daß die Sammlung solcher münd-
licher oder schriftlicher Berichte gelegentlich des Dombaues erfolgte, naturgemäß durch diesen
angeregt, dann müßte jene Stelle einen besonderen Eindruck im alten Aquileja gemacht haben,
welche erzählte, daß der kleine, aber ehrwürdige Raum entweder hinter der fenestella con-
fessionis oder der unter der Turrita von den ersten Blutzeugen her schon als Sacrarium Dei
geweiht sei.3)
Die baulichen Eigentümlichkeiten und die legendarischen Berichte scheinen sich wie
zwei Glieder einer gesprengten Kette zu berühren.
Gestützt auf alle diese Erwägungen vermuten wir also, es sei auch der erste Dom von
Aquileja, dessen Bestand um die Mitte des 4. Jahrhunderts der folgende Abschnitt zu zeigen
hat, nicht auf einem willkürlich gewählten Bauplatze errichtet worden, sondern es habe ihm
die damalige Erinnerung an die Lokalheiligen der Stadt seinen Platz angewiesen. Dies Motiv
konnte das Grab der Titelheiligen Hermagoras und Fortunatus nicht sein, denn ihre Tumuli
wurden vor den Stadtmauern verehrt; es muß also eine andere, im Verlaufe des 4. Jahrhun-
derts lebendige Tradition gesprochen haben. Und wirklich konnten jene noch leben, die beim
Martyrium des Hilarus und der späteren Kerker= und Glaubensgenossen Zeugen waren. Da
aber der heilige Bau nicht dem Hilarus, sondern dem älteren Patron Hermagoras geweiht
erscheint, dessen traditionelles Fest und Legende um das Ende desselben Jahrhunderts in Aqui-
leja bekannt waren, denken wir nicht ohne Grund an die Haupttraditionen der Stadt, die
sich in diesem bedeutendsten Sacrarium des altchristlichen Aquileja erhielten.
*) Die Abbildung Zuccolos dieses nach Maionica (Giordano
Stabile, S. 30), später als Uhrturm verwendeten Baues bringen wir
S. 1. Nach dem S. 34 erwähnten Stadtplane I haben die Ruinen des
Turmes jene des gedeckten Baptisteriums überragt. Ob aus dem
alten Obergeschoß eine Verbindung zur Anastasiakapelle führte, läßt
sich aus keiner der beiden Zeichnungen entnehmen. Dieser Turm ist
von den zwei im 18. Jahrhundert «Savorgnane» genannten Doppel-
türmen zu unterscheiden, die nach Bertoli, Antichitä, III, S. 238 ff. im
Mittelalter an die Familie Villaita kamen, von welchen Bertoli einen,
jedoch viereckigen, 1749 existierenden, wiedergibt. Beide zusammen
sieht man als Rundtürme auf dem Plane I, Nr. 14 (torre Savorgnani)
und unter Nr. 15 wieder einen viereckigen als torre d'arena.
2) Die S. 20 beschriebene Menge antiker Baureste, darunter
solche die 1-40 cm tiefer als die Atriums-Mosaiken lagen, bezeugen
die Existenz von Gebäuden an dieser Stelle bis in die erste Kaiser-
zeit. Vielleicht erklärt sich so auch das zwischen D und Dx (Taf. VII)
anzunehmende Knie der Umfassungsmauer. Ein alter Eingang aus
einem etwaigen Anbau an der Nordwand der Halle wurde von uns
nicht konstatiert.
3) Interessant ist, daß die heutigen Bewohner von Aquileja
die Krypta «il carcere di S. Ermacora» nennen, wozu vielleicht auch
die starken Eisengitter Anlaß geben. Der Gutsherr von Monastero,
Herr Eugen Baron Ritter, versichert hingegen, er sei als Kind darüber
belehrt worden, daß sich in der Krypta die ersten Christen ver-
sammelt hätten. Eine ähnliche Angabe findet sich bei mehreren ober-
italienischen Krypten. Im Ricordino wird S. 44 das Baptisterium als
Haus, wo Hermagoras die Gläubigen versammelte, angeführt, dann
aber, was vielleicht eher Beachtung verdient, der jetzt verschwun-
dene «luogo, detto Turrita», also wohl neben dem Baptisterium als
«prigione dei confessori della fede».
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halle eingefügt worden und hat mit der Heidenzeit gar nichts gemein. Möglicherweise wußte
man aber vom Baptisterium, daß es ein Tempel gewesen sei.
Und nun dürfen wir abschließend auch jenes «alten Turmes» gedenken, der, gegenwärtig
ganz verschwunden, ehemals an der Nordseite des Baptisteriums stand und angeblich römische
Gefängniszellen barg.1) Das ist nicht so merkwürdig wie die im frühen Mittelalter erweisbare
Benützung des Oberraumes der unmittelbar anstoßenden Vorhalle zu einer auffallend schwer
zugänglichen Anastasiakirche. Dies Heiligtum kann nur einer lokalen Umstellung seine Exi-
stenz verdanken, sonst hätte man bei einer Reliquienübertragung doch der heiligen Anastasia
einen Altar im Dome selbst leicht errichten können. Es müssen also spezifisch lokale Gründe
dafür gesprochen haben, ein Zusammenhang, der sich aber wohl durch die Beziehungen der
merkwürdigen Heiligen zu dem altchristlichen Kerkerkultus herstellen läßt. Hier ist höchst-
wahrscheinlich ein Heiligtum, das früher in anderer Form anschloß, verschwunden und sein
Andenken nur in dem jetzt unzugänglichen Oberraume der Halle erhalten; der ehemalige Kern-
punkt seines Interesses müßte aber ein kirchliches Gebäude gewesen sein, das zur wiedergefun-
denen Nordbasilika sich ungefähr so verhielt wie das Baptisterium zum Dome. Damit würde
sich die Grundrißanlage des Gesamtbaues befriedigend ergänzen.2)
Wenn also unsere Vermutung nicht ganz unbegründet ist, gewinnt auch eine bisher nicht
beachtete Stelle in den Hermagorasakten ein eigenartiges Licht, wo gesagt wird, jener düstere
und enge Kerker sei schon durch die Anwesenheit und das heilige Wirken des Hermagoras
in ein Sacrarium Dei verwandelt worden. Nehmen wir, durch die Andeutungen der Anastasius-
akten und deren ungefähre Zeitbestimmung ermutigt, an, daß die Sammlung solcher münd-
licher oder schriftlicher Berichte gelegentlich des Dombaues erfolgte, naturgemäß durch diesen
angeregt, dann müßte jene Stelle einen besonderen Eindruck im alten Aquileja gemacht haben,
welche erzählte, daß der kleine, aber ehrwürdige Raum entweder hinter der fenestella con-
fessionis oder der unter der Turrita von den ersten Blutzeugen her schon als Sacrarium Dei
geweiht sei.3)
Die baulichen Eigentümlichkeiten und die legendarischen Berichte scheinen sich wie
zwei Glieder einer gesprengten Kette zu berühren.
Gestützt auf alle diese Erwägungen vermuten wir also, es sei auch der erste Dom von
Aquileja, dessen Bestand um die Mitte des 4. Jahrhunderts der folgende Abschnitt zu zeigen
hat, nicht auf einem willkürlich gewählten Bauplatze errichtet worden, sondern es habe ihm
die damalige Erinnerung an die Lokalheiligen der Stadt seinen Platz angewiesen. Dies Motiv
konnte das Grab der Titelheiligen Hermagoras und Fortunatus nicht sein, denn ihre Tumuli
wurden vor den Stadtmauern verehrt; es muß also eine andere, im Verlaufe des 4. Jahrhun-
derts lebendige Tradition gesprochen haben. Und wirklich konnten jene noch leben, die beim
Martyrium des Hilarus und der späteren Kerker= und Glaubensgenossen Zeugen waren. Da
aber der heilige Bau nicht dem Hilarus, sondern dem älteren Patron Hermagoras geweiht
erscheint, dessen traditionelles Fest und Legende um das Ende desselben Jahrhunderts in Aqui-
leja bekannt waren, denken wir nicht ohne Grund an die Haupttraditionen der Stadt, die
sich in diesem bedeutendsten Sacrarium des altchristlichen Aquileja erhielten.
*) Die Abbildung Zuccolos dieses nach Maionica (Giordano
Stabile, S. 30), später als Uhrturm verwendeten Baues bringen wir
S. 1. Nach dem S. 34 erwähnten Stadtplane I haben die Ruinen des
Turmes jene des gedeckten Baptisteriums überragt. Ob aus dem
alten Obergeschoß eine Verbindung zur Anastasiakapelle führte, läßt
sich aus keiner der beiden Zeichnungen entnehmen. Dieser Turm ist
von den zwei im 18. Jahrhundert «Savorgnane» genannten Doppel-
türmen zu unterscheiden, die nach Bertoli, Antichitä, III, S. 238 ff. im
Mittelalter an die Familie Villaita kamen, von welchen Bertoli einen,
jedoch viereckigen, 1749 existierenden, wiedergibt. Beide zusammen
sieht man als Rundtürme auf dem Plane I, Nr. 14 (torre Savorgnani)
und unter Nr. 15 wieder einen viereckigen als torre d'arena.
2) Die S. 20 beschriebene Menge antiker Baureste, darunter
solche die 1-40 cm tiefer als die Atriums-Mosaiken lagen, bezeugen
die Existenz von Gebäuden an dieser Stelle bis in die erste Kaiser-
zeit. Vielleicht erklärt sich so auch das zwischen D und Dx (Taf. VII)
anzunehmende Knie der Umfassungsmauer. Ein alter Eingang aus
einem etwaigen Anbau an der Nordwand der Halle wurde von uns
nicht konstatiert.
3) Interessant ist, daß die heutigen Bewohner von Aquileja
die Krypta «il carcere di S. Ermacora» nennen, wozu vielleicht auch
die starken Eisengitter Anlaß geben. Der Gutsherr von Monastero,
Herr Eugen Baron Ritter, versichert hingegen, er sei als Kind darüber
belehrt worden, daß sich in der Krypta die ersten Christen ver-
sammelt hätten. Eine ähnliche Angabe findet sich bei mehreren ober-
italienischen Krypten. Im Ricordino wird S. 44 das Baptisterium als
Haus, wo Hermagoras die Gläubigen versammelte, angeführt, dann
aber, was vielleicht eher Beachtung verdient, der jetzt verschwun-
dene «luogo, detto Turrita», also wohl neben dem Baptisterium als
«prigione dei confessori della fede».
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