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Die Auflösung
des

Patriarchates.

auch die alten Lisenen des ersten Baues. Die oberen vier Teile stammen also wahrscheinlich
aus dieser Zeit, in welcher auch urkundlich der Helm aus Ziegeln gesetzt wurde. Bei der
Bestellung eines neuen Geläutes erhielt der Abschluß des Turmes 1530, und nach Reparaturen
von 1549, seine jetzige Form.1) Aus letzterem Jahre stammt die S. 1 erwähnte Inschrift des
Tadeus Luranus im Innern der Glockenstube. Außen aber erinnert das Grimaniwappen über
dem Westfenster jedenfalls an Johannes Grimani (1546—1593).2)

Trotz seiner wuchtigen Masse wirkt unser Turm in den Verhältnissen klar und harmo-
nisch wie kaum ein anderes seiner bis ins Gebiet von Brescia und Padua hin zahlreichen
Nachbilder. Er ist etwas westwärts geneigt, aber bei gewissenhafter Pflege des Bauwerkes
gewiß nicht so viel, daß man das Geschick des fast gleichalterigen Rivalen von S. Marco
auch für ihn in naher Zeit befürchten müßte.

Seitdem ihn Luranus restaurierte, schaute dieser Riesenwächter der Patriarchenstadt auf
zwei fast ereignislose Jahrhunderte nieder. Nur das alte Baptisterium und der von Poppo
begründete Patriarchenpalast verfielen immer mehr. In den Dreißigerjahren des 18. Jahrhun-
derts zeigte sich ein antiquarisches Interesse,3) das sich bis zu Restaurierungen im Dome und
am Baptisterium vorwagte,4) wobei einige interessante Funde gemacht wurden.

Seitdem aber, und zwar schon im 16. Jahrhundert österreichische Soldaten auf dem Campa-
nile Wache hielten, die Patriarchen hingegen politisch von Venedig, das dem kaiserlichen Hofe
gegenüber das Ernennungsrecht ständig beanspruchte, abhängig waren, konnten die sich kreu-
zenden geistlichen und weltlichen Interessen des Patriarchates nicht mehr gedeihlich sich ent-
wickeln.5) Der Patriarch residierte in Venedig oder in Rom, selten in Udine, — in Udine hatte
er meist nur einen Vikar; und in Görz, das 1500 durch Erb vertrag an Kaiser Maximilian I.
gekommen war, amtierte seit 1574 ein Erzdiakonat, das dem Wiener Nuntius unterstellt war.
So bereitete sich die formelle Auflösung des Patriarchats vor.

Nach einem vergeblichen Vermittlungsversuche des Papstes6) erschien am 6. Juli 1751 die
Auflösungsbulle, die zugleich die neuen Erzbistümer Görz und Udine unter Aufteilung des alten
Metropolitanbereiches schuf.7) Merkwürdigerweise wird der Titel unseres Domes zweifel-
haft als Mariä Himmelfahrt oder Geburt angegeben. Bezüglich der Kirche selbst aber befahl
der Papst, daß ihr bisheriger Pfarrsprengel der zweiten aquilejensischen Pfarre St. Johann

fino al castello. Die auffälligen Lisenen des untersten Turmgeschosses,
die sich früher nach oben zu fortsetzten und durch Arkadenfriese
abschlössen, sind wohl der beste Kommentar zu dem etwas dunklen
Ausdruck. Siehe S. 78, Anm. 4; S/100, Anm. 1.

*) 1529, am 28. Dezember bestellte das Kapitel drei neue
Glocken bei dem Gießer Antonio in Udine. Den Steinrahmen setzte
Francesco Lurano di Quaro und arbeitete in den Jahren 1530, 1534
und 1536. Joppi, Basilica, S. 29, 60 f.

2) Eine Abbildung bringt Ferrante, Piani, S. 97. Da die Ab-
zeichen des Kardinalates, das diesem Patriarchen trotz seiner Recht-
fertigung auf dem Konzil von Trient versagt blieb, auf unserem
Wappen fehlen, ist es wohl nicht seinem Bruder und Vorgänger,
dem Kardinal Marinus Grimani zuzuschreiben.

3) Die wichtigsten Namen aus jener Zeit sind Lucretius Treus,
der 1722 seine Sacra Monumenta edierte, während Justus Fontanini
vor seiner posthumen Historia literaria Aquilejensis bereits 1726 über
die heil. Colomba «della Cittä d' Aquileja» schrieb. Die wichtigsten
Jahre sind 1739 und das folgende, wo die vielzitierten Werke von
Bertoli und De Rubeis erschienen. Des letzteren Mitarbeiter war
Sigmund Graf Attems, an sie schlössen sich die Freunde friulanischer
Heimatsforschung: vor Allen Francesco Florio, dann Giuseppe Bini,
•f- 1773, die beiden Grafen Josef und Rudolf Coronini 1790 und 1791)
und andere. Siehe: Occioni-Bonafons, Bibliografia friulana, Valentinelli,
Catalogus und Manzano, Cenni biografici.

4) Dabei wurden die Malereien der Apsis übertüncht, die
unteren Hermagorasfresken kamen in roher Verkleinerung auf die
damals jedenfalls neu zusammengestellten Chorstühle und in die
Concha malte Matteo Furlanetto 1793 seine wertlose Himmelfahrt
Mariens. Die Restaurierung der Taufkirche und ihrer Vorhalle im
Jahre 1739 wird von der Inschrift über dem Eingang zur Chiesa dei
pagani gemeldet, es sei unter Karl VI., . . . Aquilejensium ecclesiarum
restauratori, dieses Heiligtum, tempore iniquitate profanatum et di-
rutum . . . a fundamentis ipsis wiederhergestellt worden. Das Gegen-
stück dazu ist die Herausnahme der eisernen Klammern aus dem

morschen Mauerwerk 1790, wodurch der Einsturz desselben verur-
sacht wurde. Ferrante, Piani, S. 49. Die Fortführung der alten Taufe
durch Untertauchen bis in die späte Zeit mit Ferrante, 1. c, S. 50,
anzunehmen, liegt kein Grund vor, da schon die Agenda dyoecesis
Aquilegiensis vom Jahre 1495 (Wiener Hofbibliothek, Incunabel 366),
S. XVIII die jetzige Form des Begießens kennt, wenn auch das
Untertauchen als eine prinzipiell zulässige Taufform wie in modernen
Ritualien erwähnt wird.

s) Siehe die eingehende Darstellung von Czörnig, Görz,
S. 875—922, ferner bei Coronini, Patriarchengräber, S. 275 ff. und Rizzi,
Ristretto, S. 91 ff.

6) 1749 hatte Benedikt XIV. mittels Breve vom 29. November
Omnium ecclesiarum sollicitudinem und Postquam per alias vom
27. Juni 1750 (Bullarium, Bd. XVII, 1, S. 438 ff., 448 ff.) einen apostoli-
schen Vikar, den Baseler Kanonikus Grafen Attems, für die öster-
reichischen Gebietsteile unter sonstiger Belassung des alten Patri-
archates ernannt. Damit war aber die Republik Venedig unzufrieden,
und der Patriarch Daniel Delfin protestierte dagegen. Nach Cappel-
letti, Chiese, Bd. VIII, S. 538, soll der Hof von Turin, nach Czörnig,
1. c, S. 907, Ludwig XV. von Frankreich die Auflösung angeraten
haben.

7) Injuncta nobis im Bullarium, 1. c, S. 300 ff. Im selben
Jahre wurde in der kaiserlichen Münze eine Denkmedaille geprägt
mit dem Bilde der Kaiserin Maria Theresia und ihres Gemahles
auf der Haupt- und mit der Inschrift auf der Rückseite: QVOD —
INTER STATVS AVSTR. ET VENET. — DISSIDIA FOVIT -
PATRIARCH. AQVILEIENSI — IN METROPOLES GORITIENS.
ET VDIN. — MVTATO — SEDENTE BENEDICTO XIV — IMPE-
RANTIB. FRANC. ET M. T. AVGG. — SVBLATVM — PAX SVB-
DITIS REDDITA — MDCCLI. Im k. u. k. kunsthistorischen Hof-
museum ein Goldexemplar (49 mm Durchmesser, 15 Dukaten) und ein
gleiches in Silber; publiziert von der Tochter Maria Theresias, der
Erzherzogin Maria Anna, in deren Werk: Schau- und Denkmünzen,
Abt. I, S. 138 f.

Il6
 
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