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die Formen im einzelnen ausbildet, während der Instinkt nur die
Veranlassung zur Thätigkeit überhaupt giebt.
Von den zahlreichen Illusionsspielen der Kinder finden wir
bei den Tieren nur die Kampf- und Jagdspiele, von denen der Er-
wachsenen nur die Liebesspiele. Kein Wunder, denn gerade Kampf,
Jagd und Liebe sind die drei stärksten Instinkte der Tierwelt, die-
jenigen, auf denen Ernährung und Fortpflanzung hauptsächlich be-
ruhen. Alle die zahlreichen dramatischen Spiele, die wir bei Kin-
dern beobachten können, sind dem Tier wie es scheint unbekannt.
Besonders wichtig ist es, dass die Tiere das plastische und
malerische Illusionsspiel nicht kennen, von dem epischen, das ja
die Sprache voraussetzt, ganz zu schweigen. Wenn man Affen
oder Hunden kleine Nachbildungen ihrer Art vorhält, erkennen sie
sie nicht oder betrachten sie wenigstens mit einem gewissen Aus-
druck von Angst und Scheu, der den Gedanken an ästhetischen Ge-
nuss ausschliesst. Ob Tiere gemalte Tiere wiedererkennen, steht
dahin. Die früher citierten Illusionsanekdoten (I 171, 174, 183)
scheinen es allerdings zu beweisen, doch wird es von anderen be-
stritten und ich selbst habe darüber keine Beobachtungen gemacht.
Ich vermute, dass ein Hund unter normalen Verhältnissen das Bild
eines Hundes nicht als Hund sondern als Bild ansieht. Nur so-
viel ist ganz sicher, dass Tiere sich einem Bilde gegenüber keiner
bewussten Selbsttäuschung hingeben können. Denn all jene
Anekdoten laufen auf eine wirkliche Täuschung hinaus. Wenn
Bullen plastische Kühe bespringen oder Hunde auf gemalte Hunde
losfahren oder Vögel an gemalten Trauben picken, so geben sie
sich eben keiner bewussten, sondern einer wirklichen Selbst-
täuschung hin. Das freie Schweben zwischen Schein und Wirk-
lichkeit, das dem Menschen einen so hohen Genuss bereitet, ist
ihnen wenigstens der Plastik und Malerei gegenüber fremd.
Selbst die Seh- und Hörspiele sind bei den Tieren noch in
den ersten Stadien der Entwickelung stehen geblieben. Eine ganz
elementare Freude am Glanz und der bunten Farbe ist zwar bei
vielen von ihnen vorauszusetzen. Aber nur bei einigen Arten hat
sich daraus der Sammeltrieb, bei keinem der systematische Körper-
schmuck, geschweige denn das Ornament entwickelt. Zum Tanz
und zur Musik finden sich nur die allerersten Ansätze. Ob die
Tiere das Pflegespiel kennen, ist zweifelhaft, die Beobachtungen,
die man in dieser Beziehung mit Pavianen gemacht haben will,
werden nicht von allen Forschern anerkannt.
 
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