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der Richtung, in der sie nun einmal wirken will, die
denkbar höchste Kraft der Darstellung, die denkbar
grösste Anschaulichkeit, deren sie überhaupt fähig
ist, erreicht. Populärer freilich werden immer die Künstler sein,
die es verstehen, die verborgenen Kräfte aus der Tiefe der Volks-
seele herauszuholen und das Volk stark zu machen im Kampf um
seine politischen und nationalen Güter. Aber den reineren ästhe-
tischen Genuss werden diejenigen gewähren, die wie Goethe nur
Künstler sein wollen und über den Bedingungen der Zeitlichkeit
stehen. Und wenn wir von einem höheren Beruf der Kunst
sprechen, so werden wir darunter weniger die nationale oder
soziale oder ethische Wirkung im besonderen meinen, als vielmehr
die Thatsache, dass durch sie die Menschen überhaupt in eine
Scheinwelt versetzt werden, die ihnen etwas anderes bietet als das
Leben, dass sie ihre Lücken ausgleichen, ihre Anschauungen in
Bezug auf wichtige Dinge miteinander austauschen. Durch die
Kunst redet nicht nur der Mensch zum Menschen über Dinge, die
er sich im gewöhnlichen Gespräch zu berühren scheut, sondern
durch sie reden auch die Generationen zu den Generationen, die
Jahrhunderte zu den Jahrhunderten. Die Kunst allein mit ihren
ewig wirksamen Reizen gibt uns die Garantie, dass nichts von
dem, was jemals Wichtiges und Bedeutendes geschaut, gedacht
und gefühlt worden ist, der Menschheit völlig verloren geht.

SIEBZEHNTES KAPITEL
INHALT UND TENDENZ

WIR sind im Laufe unserer Betrachtungen schon so oft auf
die Bedeutung des Inhalts für den Kunstgenuss zu sprechen
gekommen, dass es fast überflüssig erscheinen könnte, ihm ein be-
sonderes Kapitel zu widmen. Dennoch müssen wir ihn hier noch
einmal im Zusammenhang behandeln und ebenso wie früher das
 
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