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solcher Malereien mit der Natur, das Wiedererkennen der letzteren
in dem Scheinbilde den Menschen ergötze. Er ist damit der Illu-
sionstheorie wie man sieht sehr nahe gekommen, wenn auch
freilich das, was er „Wiedererkennen“ nannte, nicht identisch mit
unserer bewussten Selbsttäuschung ist. Leider hat es die Ästhetik
nicht für nötig gehalten diesen Fingerzeig weiter zu verfolgen,
und Aristoteles selbst hat seinen Gedanken nicht so konsequent
durchgeführt, dass man eine Erklärung des Kunstschönen darauf
gründen könnte. Die metaphysischen Erklärungen des Häss-
lichen vollends und die einseitig idealistischen Theorien haben die
Frage mehr verwirrt als gefördert.
Der Hauptfehler, den die ältere deutsche Ästhetik bei der
Behandlung dieses Problems machte, war der, dass sie ihr An-
schauungsmaterial, soweit die bildende Kunst in Betracht kam,
immer einseitig aus der griechischen Plastik oder der italienischen
Malerei der Renaissance, und zwar des 16. und 17. Jahrhunderts
nahm. Die Griechen und Italiener wollten aber nach der Beschaffen-
heit der von ihnen behandelten Stoffe vorwiegend das Schöne dar-
stellen, und dies war für die Ästhetik deshalb so verhängnisvoll,
weil unser früheres Schönheitsideal infolge von Gewöhnung und Er-
ziehung mit diesem griechisch-italienischen nahezu übereinstimmte.
Der Hauptgegenstand der griechischen Plastik waren Götter,
Helden und Sieger in den nationalen Festspielen, also gesteigerte,
teilweise ideale Existenzen, die, da man sich eine ideale Vorstellung
von ihnen machte, auch entsprechend von der Kunst dargestellt
werden mussten. Nach der antiken Auffassung waren ja die Götter
und Heroen ideale in irgend einer Richtung vollkommene Men-
schen, folglich musste die Kunst sie auch — in strenger Überein-
stimmung mit der Illusionstheorie — in vollkommenen und idealen
menschlichen Formen darstellen. Und auch die Sieger verkörperten
als solche in sich gewisse körperliche Vorzüge, die nur durch
Steigerung der gewöhnlichen Menschennatur zur Anschauung ge-
bracht werden konnten. Daher die Idealisierung der „gemeinen
Wirklichkeit“, des „zufälligen Modells“, die wir bei den weitaus
meisten griechischen Statuen beobachten können. Dazu kam,
dass die Griechen nach ihrer ganzen Auffassung vom Leben die
körperliche Vollkommenheit viel höher schätzten als die mittel-
alterlichen Menschen und auch die meisten modernen. Es ist
selbstverständlich, dass in einer Zeit, in der die Auffassung von
der Natur, vom menschlichen Körper in dieser Weise gesteigert
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