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Lr.-




Was wünfchen wir uns?

Na! liebc Netter und Bnsen!
was wünschcn wir uns denn? —

Hoffcntlich etwas Rechtes. Ilnbc-
scheidcnc Wünsche kostcn gerade
so vicl ols bescheidcne und dcis
Wünschcn überhaupt ist zur Zeit
noch nicht verboten. Wenn wir
Andern nur nichts Böses wünschen,
dann ist es um das Wünsäien
überbaupt nichts Unbilliges, und
sind unserc Wünsche oon der Art,
dasi wir sclber wissen, daß sie nicht
crfüllt werden könneii, tann sind
und bleiben cs cben frominc
Wünsche. Und andere Wünsche
haben w ir nicht.

Aber — was wünschen wir
uns denn? Wie mag man auch
noch fragen: Geld wünschcn wir
uns; eiwas Geld, etwas oiel Geld; ja, schr viel Geld! Und
warum wünsctien wir uns das? Weil ohne Gcld in der
Welt nichts zu machen ist. Wer Geld hat, der hat und

vcrmag Allcs, wcr kein Geld hat, der hat und vermag nichts,
anf der Gottes Welc gar nichis; darnm wollcn wir
Geld. Pfui! psui! werdcn gewisse Lcute sagcn, was ist
das für ein Wunsch? Als ob das Geld allein glücklich
niachen könnte! wer wird nach irdischen Gürcrn streben,
wenn iins dcr Himmel wagenwcit offen steht; so daß wir

mit Leib und Seele hinein fahren können.

Aber warum sollen wir uns denn kein Ge! d wünschen,
wir, die wir doch keines haben, wenn dvch sogar Lcutc die
viel Geld haben, wie unser Hcrr Psarrer, sich iiiimer noch
mehr wünschen? Unser Herr Pfarrer wird doch auch in den
Himmel koliiiiic» wollen, wenii es so selig darin wohnen
ist, wie er uns jeden Sonntag sagt. Und unser Herr Pfarrcr
muß auch ivissen, wer und wie man in den Hiinmcl kommt.

Darum kann unser Wunsch nach Geld, nach möglichst
viel Geld kein so gar schlimmer Wunsch sein. Kommt cS
ja hauptsächlich daraus an, welchen Gebrauch wir vvn dem
Gcld inachen würden. Wir würdcn cs gewiß nicht vergraben
wie ungerechtcs Gut, odcr uns darauf lcgen und eS hütcn
gleich einer schwarzen Katze. Gott bewahre! Wenn wir
Geld hattcn, dann würden wir allc Nakten kleiden, alle
Hungrigen speisen, alle Durstigen tränken. Wir würden
Eisenbahnen nach allen Nichtungen hin bauen, und Schulcn
und andere Bildungs-Aiistalten gründcn, in denen der Un-
tcrricht uncnigeldlich wäre; wir würdcn Krankenhäuscr baucn
und Bäder, in denen jeder, arm wic reich, gleich gut und
umsonst verpflegt würde. — Unisonst? Nein, wir würden
Niemand umsonst kleiden, nähren und pflegcn, wir würdcn
überhaupt Nicmand eine Wohlthat u m s o n st erweisen. Denn
wir wollen keine Müffiggänger erziehcn; wir würden aber da-
für sorgen, daß jeder, der arbeiisfähig ist, sich um die Gesell-
schaft durch irgcnd wclche Dienstleistungen verdient machen
könnte, und verdient machen müßte; wir würden also auch

dabin wirken, daß jedcm Arbciter sein
Lohn würde iii richkigem Maße.
Wir würdcn alle Schätze der Kunst
und des Wissens in leichtcster und
reichlichster Wcise dem Volk, das
hungert und dürstet nach Erkenntniß
und Bildung, zugänglich machen.

Das und noch viel mehr würden
wir thun, wenn wir Geld
h ä t t e n.

Verdammt, daß wir kein Geld
habcn!

Abcr wo ist denn das Geld,
wer hat denn das Geld?

Oh! wir Narren! wer wird es
dcnn haben?

Das Volk hat das Geld, wir
haben das Geld und wissen es nichr
einmal. Wie dumm sind wir doch
mir, das Volk. Bezahlen wir nichr allc Sreuern? bauen,
wir nichl alle Straßcn, Brückcn, Häuser, Eiscnbahnen, alle
Schulen, Zuchthäuser und Schlösser? alle Festungen, Kaser-
nen, Theater, Denkmäler u. s. w. ?

Ilnd — wem gehört denn der Boden? wem gehören
die Protukte des Bodeus und des Erwerbfleißes anders als
uns? und wir glauben, ivir hättcn kein Geld? Wahrhaftig!
es ist nicht zum aushalien, wie einfältig wir sind!

Also — seht Jhr, liebe Vettcr! Geld haben wir und
zwar gemig Gcld, um allcs das auszusühren, was wir ge-
sagt haben, daß wir ausführen wollten, wenn wir Geld
hätten. Aber wie kommt es, daß wir uns unseres Reich-
rhums nicht bewußt sind? Wo steckt denn allcS unser Gelo,
daß wir glauben, wir hätten keines? Oder wo kvmmi es
hin, wozu wird es verwendct, dafi wir uns für so arm halten?

Das will ich Euch sagen, liebe Vctter!

Wir machen keinen vernünftigen Gebrauch von unserem
Geld; wir halten nicht gehörig Haus damit; wir haben
keine Eintheilung, gerade wie eine unkluge Hausfrau, oder
ein unkluger Hausvater. Wir geben unser Geld für Dinge
auö, die uns nichts nützen; ja die uns sogar schaden.

Statt daß wir nämlich unsere häuslichcn Angelegen-
heiten sclbst besorgcn, stellen wir theure Geschäftsführcr,
Buchhalter und Schreiber an und geben einen schöncn
Theil unseres Vermögens oder doel, dcn größtcn Theil un-
scres Verdicnstes an diese ab. Dann halten wir uns
Kncchte und Mägde zu Verrichtungcn, die wir ebenfalls
selbst versehcn könnten. So komnien wir um einen großen
Theil unseres Geldes. llm den andern Theil aber konimen
wir dadurch, daß wir diesen Leuten zu viel Rechr, zu viel
Gewalt und zu viel Vertrauen einräumen und ihnen alle
Geschäfte sorglos überlassen, so, daß wir in unserem eigenen
Hauswesen fremd werden. Die Folgen davon sind natürlich
die, daß diesc Leule sich unserc Sorglosigkeit, unscrn Leicht-
sinn und unsere llnkcnnrniß in dcn Gcschäften zu Nutzen
machcn, und sich auf unsere Kosten bereichern. Nnser Geld



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