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https://doi.org/10.11588/diglit.15748#0169
Erschcinc» wöchcntlich cinmnl. — Man ibonnirt bci allcn Buch- F L- PrciS für cincn Banb von 24 Nnmincrn 3 fl. rh. ober 1 Nthlr. >
u. Kiliistbaiidliingcn. allcn Postämtcrn n. ZcitungScrpcditioncn. ^ Sgr. Einzclnc Niimincrn kostcn g kr. rh. oder 3 Sgr. ^
<>
-
",
Vtlbev auü bee N eüoluriou.
Don Fu-wig Aöhler.
§
Der gewaltige Flügelschlag dcr
Februarrevolution durchrauschte zum
crsten Male Europa. Wie wenn
der erste Friihlingshauch über dic
»och im Winterschlaf befangenc Er-
de weht, dcr Schnee zerrinnt im
warmen Sonncnstrahl, die Knoöpen
an den Bäumen schwellcn nnd die
grünen Grasspitzen und die Schnee-
glöckchen emporsprofsen, gelockt von
dem Licde der den Lcnz jubilirend begrüsiendcn Vögcl, so
klang cs dnrch die Hcrzcn dcr Menschen wie Frnhlingshoff-
nung und Lerchensang, man fühlte die Eisrinde springen,
welche bishcr die kühnsten Gedankcn gefangcn gehalten, man
athmcte leichter, die Augen strahlten hcller. und die Frcundes-
hände, die sich drückten, sprachen dcn Glückwunsch aus zu
einer neuen bessern Zeit. Und doch war es erst das Sum-
mcn der jenseits des Rheins läutenden Freiheitsglocken, das
dicse zauberhaste Wirkung hervorbrachte; in Deutschland
hatten die Glocken noch kcin Echo gefunden; man lauschte
nur, unbcwußtcr Ahnungen voll, daß eine Weltbewegung
am Strandc der Seine geborcn worden sei.
Es gibt geistig Blindgcborne, die nicht sehen, wenn
auch cine Welt vor ihnen auferstände oder unterginge. Sie
ahnten nicht, daß die Flammen, welche in Paris den Juli-
thron verzehrtcn, zur Todessackel
werdcn könnlen dcr europäischcn Mo-
narchie. Jhucn war der Sturz der
Dynastie Orleans nichts als die
Folge einer durch glückliche Um-
stände begünstigten Revolte, ohne
Nachhalt, ohne Einflufi auf das
politische Leben der Völker. Dicse
Verblcndung herrschte namentlich
in dcn hohcn und höchstcn Kreisen.
Man hiclk den deutschcn Michcl für zu schläfrig, um das
Bcispiel dcr hcißblutigen Franzosen nachzuahmei,; die ange-
stammten Landesväter dachten so wcnig an die Möglichkeit
eincr Sympathie ihrer geliebten Unterthauen mit dem „anar-
chischcn" Frankrcich, daß sie Deutschland mit Eroberungs-
gelüstcn der französischcn Ncpublik schrecken zu können mein-
ten und eincn Nationalkrieg in Aussichr stellten, den die
Einigkeit des Vaterlandes erforderc. Um aber die Nation
zu begeistern und dem Geist der neuen Zeit, der sich denn
doch nicht völlig wegläugncn ließ, Nechnung zu tragen,
griffen sie zu dem verbrauchten und leider doch noch nicht
abgenütztcn Mittcl der Versprechungen. Darum wehtc von
dem Bundespalast zu Frankfurt die bisher gcächtete schwarz-
roth-goldene Fahne, darum schmcicheltc der in seiucni Witz
bankcrotte Bundestag dem bisher verachteten deutschen Volke,
März 1848.
/L
21
u. Kiliistbaiidliingcn. allcn Postämtcrn n. ZcitungScrpcditioncn. ^ Sgr. Einzclnc Niimincrn kostcn g kr. rh. oder 3 Sgr. ^
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Don Fu-wig Aöhler.
§
Der gewaltige Flügelschlag dcr
Februarrevolution durchrauschte zum
crsten Male Europa. Wie wenn
der erste Friihlingshauch über dic
»och im Winterschlaf befangenc Er-
de weht, dcr Schnee zerrinnt im
warmen Sonncnstrahl, die Knoöpen
an den Bäumen schwellcn nnd die
grünen Grasspitzen und die Schnee-
glöckchen emporsprofsen, gelockt von
dem Licde der den Lcnz jubilirend begrüsiendcn Vögcl, so
klang cs dnrch die Hcrzcn dcr Menschen wie Frnhlingshoff-
nung und Lerchensang, man fühlte die Eisrinde springen,
welche bishcr die kühnsten Gedankcn gefangcn gehalten, man
athmcte leichter, die Augen strahlten hcller. und die Frcundes-
hände, die sich drückten, sprachen dcn Glückwunsch aus zu
einer neuen bessern Zeit. Und doch war es erst das Sum-
mcn der jenseits des Rheins läutenden Freiheitsglocken, das
dicse zauberhaste Wirkung hervorbrachte; in Deutschland
hatten die Glocken noch kcin Echo gefunden; man lauschte
nur, unbcwußtcr Ahnungen voll, daß eine Weltbewegung
am Strandc der Seine geborcn worden sei.
Es gibt geistig Blindgcborne, die nicht sehen, wenn
auch cine Welt vor ihnen auferstände oder unterginge. Sie
ahnten nicht, daß die Flammen, welche in Paris den Juli-
thron verzehrtcn, zur Todessackel
werdcn könnlen dcr europäischcn Mo-
narchie. Jhucn war der Sturz der
Dynastie Orleans nichts als die
Folge einer durch glückliche Um-
stände begünstigten Revolte, ohne
Nachhalt, ohne Einflufi auf das
politische Leben der Völker. Dicse
Verblcndung herrschte namentlich
in dcn hohcn und höchstcn Kreisen.
Man hiclk den deutschcn Michcl für zu schläfrig, um das
Bcispiel dcr hcißblutigen Franzosen nachzuahmei,; die ange-
stammten Landesväter dachten so wcnig an die Möglichkeit
eincr Sympathie ihrer geliebten Unterthauen mit dem „anar-
chischcn" Frankrcich, daß sie Deutschland mit Eroberungs-
gelüstcn der französischcn Ncpublik schrecken zu können mein-
ten und eincn Nationalkrieg in Aussichr stellten, den die
Einigkeit des Vaterlandes erforderc. Um aber die Nation
zu begeistern und dem Geist der neuen Zeit, der sich denn
doch nicht völlig wegläugncn ließ, Nechnung zu tragen,
griffen sie zu dem verbrauchten und leider doch noch nicht
abgenütztcn Mittcl der Versprechungen. Darum wehtc von
dem Bundespalast zu Frankfurt die bisher gcächtete schwarz-
roth-goldene Fahne, darum schmcicheltc der in seiucni Witz
bankcrotte Bundestag dem bisher verachteten deutschen Volke,
März 1848.
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