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Siebettrev Mttttö. V»- V.

Erschcinc» wöchcntlich cimnal. — Man abonnirt bci allcn Bnch- ^ «FL P""ö für Band 24 Nnmmcrn 3 fl. rh cdcr 1 Rthlr.

n. Knnsthandlnngc», allcn Postämtcrn u. Zcitungscrpcbitioncn. ^ ^ 2l Sgr. Einzclne 'Nuinuicrn kvstcn 9 kr. rh od. 3 Sgr.

Mro. 5 des VII. Bandes der Leuchtkugeln wurde auf Grund der
Art. 1S, 16, SO und S6 des Prefigesetzes mit Beschlag belegt.

GeuvebhlöeV ttus bev Gefattge

Von eincm politischen Gefangenen.

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Tie Frciheit ist das edelste sckönste Gut. Tcr Gefan-
gene erst sühlt dic Wahrhcit dieses Satzes in seiner ganzen
Tiefe, wcil cr das Gegcntheil durchlcbt, wic ein getrückles
und mit Sklavenkctten bclastetes Volk am meisten und empfind-
lichstcn diesc Last und diesen Truck fühlt, und sich daher
mit der angespanntesten Kraft derselbcn ztl entlcdigcn und
die Freiheit zu erringen sucht.

Zch will hier den Lescrn in Gcnrebiltern diesen Zu-
stand der Gefangenen vorführe», nicht abcr im dunkeln, trü-
ben Colvrite, nicht im Tone einer Jcrcniiade — die Wirk-
lichkcit führt gcnug Trübsinn undJammcr mik sich — indcm ich
die klcinen unbcdeutend scheinenden Freuden der Gcfangenen,
die Art und Wcise, wie sie sich einigcrmafien Ersatz für dic
ihnen cntzogcncn schonsten und höchsten Güier dcs Lebens
zu vcrschaffen strcben, denen, die sich derselben crficuen, vor
Augen zu führcn und den Alles vcriöhnenden Humor diescn
Bildern gewissermasscn als Angebinde anf dcn Wcg mit zu
geben snche. Aber aueb so wcrdcn fic nur dazu beitragen,
tie Frcihcit und die in ihrem Gefolge befindlichcii Güter
als das höckfftc Ziel nicnschlichen Strebens nnd Ringens
imnier mehr achten und schatzen zu lerncn.

I.

Spaziergang.

Eine der angencbmsten und erwünschtesten Stunden
sind dcm Gefangcnen, besonderS in den schönen Frühlings-

und Sommcrtageii, die, welchc er auf dcin Spaziergange
täglich zubringt. Nicht als ob blos dic erwärinende und
mild scheinende Sonne und die srische, freie Lufl und Aus-
sicht iui Gegensatze zu der oft dnmpsen Zimmer- oder Kerker-
lust ihn mit Freude erfüllt und cin wohlthuendcs Vehagen
in ihm erzeugt, sondern es ist ihm dcr Nmstand besonders
crwünscht, daß er mit scinen Mitgefangcncn und Leidens-
genossen, wcnn auch oft nur in den Rapport des sich Sehens,
Hörens und sich Begrüfiens komnit, da bäufig die Zimmer-
und Zellenfenster die Aussicht auf dic Prvmcnade der eben
im Freien befindlichen Gefangencn gcwäbren. Aus dicfcm
Fenster schallcn fröhlichc, aus jcnem melancholische und
ernstc Licder, je nachdem der Zufali die Gefangencn in den
Arrestzimmcrn zusamincngewürfelt und dcr Gott der Laune
ihnen gcrade die Scclen gestimmt hat. Die unten vorüber-
gehendcn gefangencn Spaziergänger siiinincii oder pfeifcn je
nach Gefallen ticfcs oder jenes Lied mit, und dic aus- und
abgcbende Schildwache lauscktt nicktt selten, wie Arion's
Telphin, den Melodien, scicn es die der freiheitsglühendcn
Marseillaisc odcr svnst eincs Freiheitsliedes odcr die eincs
leicht schcrzenden, frischcn oder auch melancholischen Liebcs-
oder Trinkliedes. Hat nun das einc oder daS andere Licd
die Spaziergänger besonders elcktrisirt, sc läßl sich ein lautes
Händeklatschen oder Dacaporufcn vcrnehmen, dem eine all-
gcmcine Hcitcrkeit auf dem Fuße solgt.





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