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von Louis Voqel.

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Es gibl ci»e Stadt i» Dcutschland, welche Pfiffin-
gen heißt.

Pfiffingen liegt am Abhange eines Hügels »nd am
Rande eines Flüßchens. Ein Berliner würde sagen i Rechts
Jegend, links Jegend, rorne Jcgend, hintcn Jegend; —
ich als gewissenhaster Schriftsteller beschränke mich auf die
feierliche Erklärung, daß Pfiffingen gar nicht übel liegt.

Pfiffingen ist eine alte Stadt und hat daher, wie alle
alte Städte, auch städtische Merkwürdigkeiten. Zu diesen
gehört der Brunnen vor dem Rathhause, der von einem
steinernen Königsbilde überragt wird. Die Einen halten
die Statue für den König Solomo, die Andern für den
König Gambrinus, und wenn den alten Kroniken
Pfiffingens zu trauen ist, fo kam es gar einmal im 15.
Jahrhunderte wegen dieser Meinungsverschiedenheit zwischen
den Einwohnern deS Städtchens zn einem blutigen Kampfe,
welcher nur dadurch beigelegt wurde, daß man von beiden
Seiten übereinkam, die Statue für die Kaiser Karls
des Großen gelten zu laffen.

Zu den weitern Merkwürdigkeiten der Stadt gchört
die alte Rathhausuhr, welche nicht mehr schlägt; und dann
ein mit Hauptmannsrang pensionirter königlicher Oberlieu-
tenant, der des wohlfeilen Lebcns und der gesunden Luft
wegen scinen Aufenthalt in Pfiffingen genommcn hat, im
Uebrigen aber auf das Nest, wie er's nennt, jeden Abend im
Wirthshaus weidlich schimpft, wofür ihn dic Bürger einen
kurzweiligen und spassigen Herrn nennen.



!

Ueber die Enlstehung Pfiffingens so wie übcr den Ur-
sprung seines Namens vermöchte ich als gewisscnhafrcr
Schriftsteller nichts Zuvcrlässiges anzugeben. Dic Pfiffingcr
sclbst leiten den Namen von „pfjffig" ab; fie hätlen sich
schon in alten Zeiten durch ihre Pfiffigkeit ausgezeichnet.
und sie rühmen sich auch noch heut zu ?age mil derselben.
Was es mir dieser Pfiffigkeit für eine Bewaiidiniß hat,
mag man aus der nachfolgenden Geschichte ersehen.

II.

Man kann in Bezug auf Ergcbenheit zum Landcsvarer
die Städte dermalen in solche eintheilen, deren Einwobner,
wenn der Landesvater kommt, dic Pferde vor seinem Wagcn
ausjpannen und ihn hereinzichcn, nnd in solchc, deren Ein-
wohner dies nicht thun. Pfiffingen gehörte zu dcn Pferde-
ausspanncnden Städten, und nie bärte der allergnädigste
Landesvater oder Eines der Seinigen, in allen Hanpt- und
Nebcnlinicn, dic Stadt passirt, ohne von den alsdann
zum Vieh werdenden Pfiffingern jauchzend über das schlechtc
Pskaster der Hauptstraße gezogcn worden zu sein. Jeder
Pfiffinger setzte seine böchste Ehre darein, wcnn er in seinem
Leben nur einmal anf solche Weise die Postgäule abgelösk
hatte, und oft war bei den Zänkereien dcr Slraßenbiiben gc-
hört worden, wie dcr Einc zum Andern sagie: „Halt's
Maul, Du! Mei Vater hat den König 'reinzogen," worans
der Andere in der Negel auch respektvoll verstiiminte.

Sintemalen nämlich Pfiffingen an keiner der größern
Hcerstraßen lag, starb manchmal eine ganze Generation dahiu,
ohne nach Art der Väter die Pfcrde des aliergnädigsten Lan-

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