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breclicn ließen, wenn der Hiiiiincl nnter Donner und Blitz
den Jnhnlt seiner dnnkcln Woltc» in's Aieer goß und dieseS
bransend und heulend in's Land strcbte — mit eineiu Wort,
wenn die irildcn Vleinentnrgeister den Menschcn einen un-
hciloolicn Krieg ertlärten, und dicse bange und unterjocht
;u zagen bcganncii, so schickte Libertas sosort ihre ersten
und trcuesten Reithe, dcn Muth, die Willenskrast, die Ei-
nigkeit und Beharrlichkcit zu ihren Fiihrerii »nd kiihn und
anfrecht stand sofort das Geschlecht der Sterblichcn, und
schcu und besiegt wich das wilde Naiurhecr solchen nie be-
siegten Feldherrn. Die schone Fce lachte dann herzlich aus
dein Balkvn ihres Schlosses. „So geht es den iiberinüthigcn
Tyrannen in meinein Neiche!" ricf sie spottend den zähne-
knirschenden Geistcrn nach. Neigte aber wieder irgendwo
cin Magdlein, das bis dahin frisch geblüht, träunierisch das
Haupt, pcrltcn in sonst lachenden Augcn Tropfen, von denen
das Herz nicht Nechcnschaft zu geben sich getraute, senkte
ein stolzer Jünglingsblick sich schüchtcrn, so machle es der
cdelu Fce cin himmlisches Vcrgnügen. ihrer Lieblingsdienerin,
der Liebe, eincn wohlverstandnen Wink zu geben. Diese
eilte dann, eine Rosenkettc uni Deide zu ziehen, die sie un-
mcrklich iniincr enger knüpkte, bis dcr thauige Morgen zwei
Seclige vereinigt sand, dic nicht bcgreifen konntcn, wie ihnen
das so geschehcn, die aber in stiller Ahnung der Urheberin
in ihren Herzen Altare errichteicn, aus dcnen die Keuschheit
und die Treue, als neue Abgcsandte der gütigen Libertas,
nie verlöschende Opfcrflamiucn unterhiclten. Kurz die Diener
nnd Näihe dcr Herrscherin mischten sich zum Heil und Segen
dcs Mcnschengeschlcchts in die geringsten Handlnngen des-
selben, und hattcn dabei das Glück, daß ihre Einmischung
— unglcich der unserer heukigcn zahlrcichen Bormünder —
gern und freudig begrüßt wurde. Jch glaube, ich habe noch
uichi erwähnt, daß Libertas noch nicht vermählt war. Dieß
machte ibrcn Unterthanen oft Kummcr. Denn obgleich man
eigcntlich damalö das Uebel der Tyrannei noch nicht kannte,
sv schlummert dvch so viel Lust daran in jedcr Mcnschen-
brust — tiuch der reinsten und jüngsten — daß eine dunklc
Ahnung der Möglichkcit sich aus Aller Busen in die Luft
erhob und zu der Frage gestaltete: „Wird es immer so
bleiben?" Man sollke indeß beruhigt wcrden. Eines Tages
hörten die Menschen ein unendlichcs Brausen. Sie sahcn
eine blendende Helle und fielcn stumm und ehrsurchtsvoll
aufs Antlitz. Das war der Odcm des cwigen Geistes, den
sie noch von ihrer Erschaffung her kannten. Libertas aber war
nicbt in dcn Staub gcsunken. Auf den Zinnen ihres Schlosscs
stand sie in einer ganz göttlichen Schönheit, ihr Antlitz
lcuchtete von Skolz und Entzücken, in ihren wcit offnen
Armcn cmpfing sie den strahlenden Sturm, der durch das
ganze All fluthet. — Unsre Fee war also vermählt und in
ihrem flieiche war Nichts verändert, außer höchstens, daß
ihre Unlerthanen noch weniger denn je von den Elemen-
largeistern zu fürchtcn hatten.

O goldcne Zeit! o Glück! o seliges Geschlecht, wo
seid ihr hingcschwundcn?! Konnte euch die arme Erde so
spurlos verlieren? — Die letzten Jahre sehen aus, als
bättet ihr nie eristirt!

Um das Glück und die Freudc noch zu crhöhcn, gebar


Libertas einen Sohn. Das ist der Geist der Zeit — der
Geist der Geschichte, ein herrlicher Jüngling, ganz würdig
des älterlichen Paares. Er durchwandelte gerne die blü-
hende, jungfräuliche Erde, schaute auf das Thun der Men-
schen, die er liebtc, und sang mit rauschender Stimme die
Jdecn und Thaten, die um ihn her entsprangen und ge-
schahen. So weil war also Alles herrlich und gut auf der
Erde. Es lcbte aber cin Feind dieses Glückes, das war der
finstrc Engel des Uebermuthcs, den der göttliche Geist in
seinem Zorne in das ewige Eis dcs Nordcns gebannt halte.
Es läßt sich dcnken, daß ihm seine angefrorne Eristenz nicht
besonders gesiel. Er hatte deßhalb auch schon von vielen
mißlungnen Versuchen dcr Erweiterung seines Nachtreiches
;u erzählen und knirschte um so mehr in Wuth und Rache-
durst. Libertas lachte seincr List und Gewalt; doch leider
für die arme Erde zu früh. Jch sagte, der schöne Sohn der
Fee habe die Thaten der Menschen zu seiner Harfe gesungen.
Dicse Worte, diese Töne aber warcn ganz eigenthümlicher
Art. Sie verklangcn nicht, sondern schwangen sich selbst-
ständig in die Lüfte; die Wipfel der Bäume, die Winde
selbst nahmen sie aus, und wenn es Abends recht still war,
so sang der ganze Wald, und die Menschen saßen entzückt
untcr seincm Dache und horchtcn der Erzählung ihrcs eignen
Daseins, das durch diese poetische Wiederholung einen neuen
Neiz gewann.

Der Geist der Finsterniß abcr bcsaß auch die Kunst
des Gesanges. Es soll sogar gewißermaßen schön und er-
greifcnd gewcsen sein, die düstere Klage dieses cinstigen
Stolzcs des Himmels zu hören. Jetzt wandelte sich die
Klage in das Lob des Herrschcrs. Echoartig erhoben sich
auch diese Töne in die Luft. Sie flatterten unstät unter
denen dcs Feen-Sohnes und mischten sich so geschickt hinein,
daß sie, wie dazu gehörig, den Sinn derselben veränderten.
O! über diese schlauen Töne; sie wußten genau den Au-
genblick, wenn die Brust des Menschen, weich und gelockcrt
für den edcln Stolz, den die Erzählung erhabener Thaten
crweckt, nur eincs Haares Gewicht zum Ueberschlag in den
Uebermuth bedurftc.

Jn diesem Moment fielen sie als reife Samenkörner,
die im Nu emporgrünten.

Sagt' ich schon, wo das Ncich Libertas gewesen?

Es war ein köstliches Land mit mächtigen Strömcn,
mit rauschcnden Eichenwäldern, mit cwigen, fcstcn Bergen;
von allen Seiten fast bespülte damals die salzige Woge
seinen Fuß. Jetzt hat es keine Meere mehr! Dieses Land
— es war das Herz der damaligen Welt, so wie es noch
jetzt das Herz des Welttheils ist, den man das Gehirn un-
seres Erdballs nennen kann. Laß mich seinen Namen ver-
schweigen! — Es thut weh', mit diesem Namen seine jctz-
ige Schmach an seine einstige Größe und an mcin Mährchen
zu heften.

Weit weg aber von diesem schönen Lande nach Osten
lag nähcr an der Grenze dcr Finsterniß ein anderes Neich,
das zwar noch der Macht von Libertas huldigte, aber na-
türlich am meisten den Versuchungen des bösen Geistes aus-
gesetzt war. Hier erwachte der erste Tyrann. Eincs Tages
stand cin Mann auf von dcm Baumstamm, unter dem er


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