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Lübke, Wilhelm
Grundriss der Kunstgeschichte — Stuttgart, 1864

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https://doi.org/10.11588/diglit.2899#0044
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24 Erstes Buch. Die alte Kunst des Orients.

Dagop wieder, aber meistens in massenhafter Anlage, in mächtigen Dimen-
sionen. Doch erfährt derselbe hier eine neue Variation, indem gewöhnlich
auf breitem Unterbau eine achteckige pyramidal verjüngte und in eine
schlanke Spitze auslaufende Form sich erhebt. Prächtige Farben und
reicher Goldschmuck, sowie die Ausstattung mit kolossalen Erzbildern, in
deren Guss die peguanische Kunst sich auszeichnet, erhöhen die phan-
tastische Grossartigkeit dieser Bauten. Die bekanntesten Denkmale sind
die Tempel von Eangun, von Pegu und von Kommodu, letzterer gegen
dreihundert Fuss hoch.

3. China.

Die chinesische Kunst, soweit sie religiösen Zwecken dient, empfängt
ebenfalls ihre Impulse durch den Buddhaismus, der in dem ungeheuren
Eeiche sich um das Jahr 50 n. Chr. auszubreiten begann und allmählich
zur ausschliesslichen Herrschaft gelangte. Da aber der Charakter des
nüchtern-verständigen, praktisch-klugen, vorwiegend auf weltliche Zwecke
und Erwerb gerichteten Volkes sich diametral von der phantastisch ge-
stimmten, poetisch bewegten Sinnesweise der Inder unterscheidet, so wurden
auch die Formen der Kunst beträchtlich modiflcirt, der Hauch tiefer Sym-
bolik und grossartigen Ernstes verwischt und dafür das Streben nach wohl-
geordneter Zierlichkeit, nach spielend bunter Ausstattung durchgeführt.
Auch hier macht sich, nur noch entschiedener als in andern indischen
Baugruppen, das Vorwiegen der Holzconstruktion, oder doch das Hindurch-
klingen derselben überall bemerklich. In den Tempeln der Chinesen ist
eine Nachwirkung der Dagopform, wenngleich in sehr durchgreifender
Umgestaltung, unverkennbar. In mehreren Geschossen verjüngen sich die
meist kleinen Gebäude, so dass jedes folgende Stockwerk hinter dem auf-
wärts geschweiften Dache des vorigen zurücktritt. Eine Galerie von glän-
zend lackirten Holzsäulen, oft mit vergoldeten Gittern ausgefüllt, umgibt
das untere Geschoss. Wunderlich verschnörkelte Schnitzwerke, besonders
fabelhafte Drachenfiguren, ragen aus den vorspringenden Dachsparren in
die Luft, und die niemals fehlenden an jeder Spitze aufgehängten zahl-
reichen Glöckehen vollenden den kindisch spielenden Charakter dieser Bauten.
Auch der bei den Chinesen mit Vorliebe ausgebildete schlanke Thurm, der
sogenannte Tha, der in vielen Geschossen bei ähnlicher Formenbehand-
lung und Ausschmückung sieh oft zu besonderer Schlankheit erhebt, gibt
sich als ein, wenn gleich entfernter, Abkömmling des indischen Tope zu
erkennen. Der berühmteste dieser Thürme ist der Porzellanthurm von
Nanking, in neun Geschossen über zweihundert Fuss aufsteigend. Die
glänzende Bekleidung mit Porzellanplatten, die in grellen Farben durch-
geführte Bemalung und die reiche Vergoldung sind ihm wie den meisten
dieser Bauten eigen.
 
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