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Lübke, Wilhelm
Grundriss der Kunstgeschichte — Stuttgart, 1864

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https://doi.org/10.11588/diglit.2899#0072
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52 Erstes Buch. Die alte Kunst des Orients.

Bedürfnis» dienenden leicht aufgeführten und ebenso leicht zerstörten Woh-
nungen der Lebenden. Alles dies bildet in dem Charakter der alten Aegypter
einen ernsten, bedeutungsvollen Zug, der sich dem ganzen Dasein als
feste Eegel und feierlich strenge Ordnung, Besonnenheit und Gleichmässigkeit
aufprägte. Durch Tracht, Lebensweise und Sitten nicht minder als durch
die Sprache und die ihnen ganz allein eigene bilderreiche, beziehungsvolle,
aber schwerfällige Hieroglyphenschrift unterschieden sie sich von den übrigen
Völkern und fühlten in stolzem Selbstbewusstsein sich allen anderen Nationen
so weit überlegen, dass sie jede friedliche Berührung mit denselben ver-
mieden und jedem Fremden den Eintritt in das geheiligte Beich der Pha-
raonen streng untersagten.

Die Anfänge des ägyptischen Staatslebens verlieren sich in undurch-
dringliches Dunkel der Urzeit. Aber schon im vierten Jahrtausend v. Chr.
bestand das älteste ägyptische Beich im unteren Theile des Landes, in
der Hauptstadt Memphis. Schon damals wurden grossartige Deich- und
"Wasserbauten aufgeführt und die Pyramiden errichtet, deren Erbauer, die
Pharaonen Chufu, Schafra und Mencheses (Cheops, Chefren und Mykerinos
bei Herodot) der vierten Manethonischen Dynastie angehören. Wahrscheinlich
war der herrschende Stamm aus Vorderasien eingewandert und hatte sich
mit den Eingebornen des Landes vermischt. Ausser den Pyramiden von
Memphis bezeugen die dazu gehörigen Felsengräber die Kunstthätigkeit
jener frühesten Epoche des »alten Beiches.« Eine zweite,Blüthenepoche
begann mit der zwölften Dynastie gegen Ende des dritten Jahrtausends
v. -Chr. In dieser Zeit tritt nachweislich zuerst in dem vom Könige Sesur-
tesen I. zu Eeliopolis errichteten Obelisken diese merkwürdige Form des
Denkpfeilers auf. Zugleich verbreiten sich die Monumente über einen
grösseren Länderkreis, zum Beweise der rastlos vordringenden und um
sich greifenden Macht der Pharaonen. Die Gräber von Beni-Hassan
in Mittelägypten zeigen den. Styl dieser. Epoche in seiner grossartigen
Bedeutsamkeit. Dann aber um .2000 v. Chr. brechen vorderasiatische Eroberer
unter dem Namen der Hyksos in das Beich und drängen die Macht der
Pharaonen nach Oberägypten zurück. Gegen 600 Jahre dauerte dies In-
terregnum, bis um 1400 v. Chr. durch König Sethos I. die Fremden ge-
schlagen und verjagt wurden. Nun erhob sich das »neue Beich,« dessen
Mittelpunkt das hundertthorige Theben wurde, zu höchster Blüthe; die
achtzehnte und neunzehnte Dynastie sah unter mächtigen Herrschern, beson-
ders dem grossen Bamses H. Miamun (dem Sesostris der Griechen), den
Glanzpunkt des ägyptischen Kulturlebens, den noch jetzt zahlreiche pracht-
volle Tempel und Gräber bezeugen.. Aber unmerklich schlich sich, wahr-
scheinlich durch asiatische Berührungen begünstigt, eine Ueberfeinerung
der Kultur ein, welche die alte zähe Kraft der Nation brach. Eine aber-
malige Begeneration versuchte durch die Hülfe griechischer Söldner gegen
 
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